Als Edward Bernays’ Buch „Propaganda“ 1928 erscheint, ruft das Wort keine positiven Assoziationen hervor. Sein Autor jedoch glaubt zutiefst an die Notwendigkeit von Propaganda. Bernays gilt heute als Begründer der „Public Relations“ und als einer der einflussreichsten Personen des 20. Jahrhunderts. Er prägt mit seinen Ideen von Propaganda die moderne Kommunikation und unsere Gesellschaft bis in die Gegenwart. Und dies nicht unbedingt zum Guten.
Von Ralph Studer
In seinem Werk „Propaganda“ macht Bernays keinen Hehl aus seiner positiven Sichtweise zur Manipulation der Bürger. „Die bewusste und zielgerichtete Manipulation der Verhaltensweisen und Einstellungen der Massen“, so Bernays, „ist ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften. Organisationen, die im Verborgenen arbeiten, lenken die gesellschaftlichen Abläufe. Sie sind die eigentlichen Regierungen in unserem Land.“
Wir würden von Personen regiert, deren Namen wir noch nie gehört haben, so Bernays. Sie beeinflussten unsere Meinungen, unseren Geschmack, unsere Gedanken. Doch das sei nicht überraschend. Dieser Zustand sei nur eine logische Folge der Struktur der Demokratie. Dies sei auch notwendig und richtig, zeigt sich Bernays überzeugt. Um diese Sichtweise salonfähiger zu machen, prägte er für den negativ besetzten Begriff Propaganda ein neues Wort: „Public Relations“ (PR). Ein gutes Beispiel für Bernays Arbeit als einer der erfolgreichsten Vertreter des zu dem Zeitpunkt noch neuen Berufsstandes der PR-Berater.
Wer war Bernays?
Bernays wurde 1891 in Wien geboren und wanderte bereits ein Jahr später mit seinen Eltern in die USA aus. Er machte nicht nur das Werk seines Onkels Sigmund Freud populär. Er bediente sich auch bei der Psychoanalyse und entwickelte auf ihrer Basis Methoden zur Steuerung der öffentlichen Meinung. Seine Strategien sind zum Standardrepertoire der PR-Branche geworden. Bernays selbst war unter anderem für US-Regierungen und die Tabakindustrie tätig, setzte sein Können aber auch für karitative Zwecke und soziale Bewegungen ein. Weit über seinen Tod im Jahr 1995 hinaus polarisieren seine Thesen bis heute.
Dem Bürger wird die Freiheit abgesprochen
Diese Polarisierung kommt nicht von ungefähr. Bernays sieht im Menschen keinen entscheidungsfreien und eigenverantwortlichen Bürger. In der Theorie gehe man zwar vom freien Bürger aus, der seine eigene Meinung zu Fragen des öffentlichen Lebens wie zu seinem eigenen Verhalten bildet. In der Praxis funktioniere dies nicht. Es sei nach Bernays kaum möglich, „sich mit jedem komplexen ökonomischen, politischen und ethischen Zusammenhang auseinanderzusetzen oder gar eine eigene Position dazu zu beziehen.“
Da ein befriedigendes Ergebnis so nicht erwartet werden könne, „haben wir uns freiwillig darauf geeinigt, dass unsichtbare Gremien sämtliche Daten filtern, uns nur noch die wesentlichen Themen präsentieren und damit die Wahlmöglichkeiten auf ein verdauliches Mass reduzieren.“ Hier stellt sich unweigerlich die Frage, wann und wo die Bürger sich mit einem solchen Vorgehen und der Übertragung ihrer Eigenverantwortung einverstanden erklärt haben. Dazu schweigt sich Bernays aus.
Grenze überschritten
Nach Bernays Ansicht übernehmen die Bürger ihre Positionen von Meinungsführern und Persönlichkeiten. Daran wäre nach erfolgter Meinungsbildung und öffentlicher Debatte auch nichts einzuwenden, ist es doch die Aufgabe von Parteien und Medien, die politischen Sachgeschäfte den Bürgern sachlich und fundiert näher zu bringen und zu veranschaulichen.
Allerdings wird dort die Grenze überschritten – und insofern ist Bernays auch klar zu widersprechen –, wo dies mit Propaganda und Manipulation einhergeht. Dadurch wird der einzelne Bürger in seiner Entscheidungsfähigkeit nicht mehr ernstgenommen, instrumentalisiert und für sachfremde Interessen missbraucht. Und somit ein Entscheid gegen das Gemeinwohl begünstigt.
Propaganda zur Erreichung des „Fortschritts“
Dass die von Bernays als nützlich angesehene Propaganda sich heute in Staat und Gesellschaft bereits mannigfaltig manifestiert, lässt sich an verschiedenen aktuellen Themen aufzeigen, wie z.B. dem vom Bundesrat vertretenen Abschluss eines neuen EU-Rahmenabkommens oder der beiden WHO-Verträge (Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften und der geplante Pandemievertrag). Beide politischen Geschäfte würden die Schweiz – in Verletzung ihrer grundlegenden Werte von Souveränität, Demokratie und Schutz der Menschenrechte – massiv schwächen.
Und gerade in solchen staatlichen Vorhaben hat nach Bernays die Manipulation ihr Aufgabe: „Propaganda gewöhnt die Öffentlichkeit an den Wandel und den Fortschritt“, wobei bereits in diesen Begriffen eine Propaganda enthalten ist. Beide sind positiv konnotiert, auch wenn sich die Wirklichkeit in Tat und Wahrheit anders präsentiert.
Misstrauen gegen den Bürger
In seinen Folgerungen geht Bernays noch einen Schritt weiter. „Vielleicht“, so der Autor, „wäre es besser, wenn wir nicht auf Propaganda und professionelle Interessenvertretung setzten, sondern auf Komitees weiser Persönlichkeiten, die unsere Regierung aussuchen, unser Verhalten im privaten wie im öffentlichen Leben vorschreiben und für uns entscheiden würden, welche Kleidung und welche Ernährung für uns am besten ist.“
Offenkundig misstraut Bernays dem Bürger und der Volksmeinung. Deshalb braucht es seiner Ansicht nach Strukturen und Mechanismen, mit denen das öffentliche Bewusstsein gesteuert wird. Dazu gehört auch, dass Akteure notwendig sind, die das Wohlwollen der Öffentlichkeit für eine Idee (oder ein Produkt) gewinnen wollen, dafür das Bewusstsein der Masse und des Einzelnen manipulieren.
Das Menschenbild dahinter
Dreh- und Angelpunkt von Bernays‘ Sicht auf Propaganda ist das dahinter stehende Menschen- und Gesellschaftsbild. Traut man dem Individuum zu, sein Leben in Eigenverantwortung zu meistern? Oder glaubt man nicht an die Vernunftfähigkeit des Individuums? Dann müssen starke Führer die öffentliche Meinung gezielt beeinflussen und die Menschen wie eine Herde lenken. Ein solches Menschenbild entmündigt den Menschen und führt letztlich in eine gelenkte Demokratie.
Genau dies passiert heute. Und es funktioniert deshalb so gut, weil sich immer mehr Menschen „in einer Masse integriert haben. Der Mensch löst sich aus der Familie, Dorf, Gemeinde, Heimat, um sich als Einzelner in der Masse wiederzufinden“, so die bekannte Autorin Gabriele Kuby. So merken viele gar nicht mehr, wie sehr ihr Denken und Handeln von anderen bestimmt wird und eine woke Propaganda in Sprache, Medien, Schule und Universitäten sie beeinflusst.
Was vermeintlich gut daherkommt
Bernays schrieb sein Werk in einer Zeit, in der die professionelle Verführung und Manipulation noch nicht so deutlich zu Tage trat wie heute. Wie wir gesehen haben, preist er „die Möglichkeiten, die Öffentlichkeit ohne deren Wissen vorsätzlich zu manipulieren.“ Er lobt das verborgene PR-Regime als eigentliches, unsichtbares Regierungsinstrument. Dabei bekennt sich Bernays, wie Dr. Klaus Kocks, Professor für Unternehmenskommunikation, schreibt, „ohne jede Einschränkung dem Strippenziehen für eine Elite, deren Zielen die öffentliche Meinung legitimerweise angepasst werden darf und soll“. Bernays erachtet Propaganda in einer Demokratie als notwendig für Massenaufklärung und -führung, um unerwünschte Entscheidungen des Souveräns zu vermeiden.
So ist sein Gesellschaftsbild im Kern undemokratisch und sein Menschenbild zynisch. „Dem unkontrollierten Herdentrieb der Massen“, so Kocks, „ist nach seiner Überzeugung entgegenzuwirken: Nicht durch Unterdrückung, sondern durch eine geschickte Lenkung der Herde in die gewünschten Bahnen. Die Massengesellschaft erscheint ihm als drohendes Chaos, das eine neue Führung in der Politik, in der Wirtschaft, im Denken und Fühlen verlangt.“
Für uns als Bürger heisst es in jedem Fall aufpassen: Wird eine Sicht oder ein politisches Geschäft als „gut“ bezeichnet, ist dies noch kein Beweis der Wahrheit, schon gar nicht der Wahrhaftigkeit. Denn das Böse tritt leider notorisch als Wolf im Schafspelz auf …
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