Obwohl dies in der Schweiz verboten ist, entscheiden immer mehr Single-Frauen sich dafür, via Samenspende ein Kind zu bekommen. Die Nationale Ethikkommission schlägt vor, das Schweizer Fortpflanzungsgesetz dieser Entwicklung anzupassen. „10 vor 10“ hat am 28. März 2023 einen Beitrag dazu gesendet, in dem sich Regula Lehmann, Leiterin Ehe- und Familienprojekte der Stiftung Zukunft CH, als einzige kritische Stimme für das Recht des Kindes auf seinen Vater einsetzt.
Das Drehbuch des SRF-Beitrags von „10 vor 10“ ähnelt vorangegangenen SRF-Beiträgen zum Thema Fortpflanzungsmedizin: Man nehme eine gutsituierte Frau, die an Kinderlosigkeit leidet, eine Psychologin, die Vaterlosigkeit banalisiert, und einen Ethiker, der beteuert, es gehe vor allem um das Kindeswohl. Dazu mischt man eine kritische Stimme und einen Moderator, der – im Idealfall – ausgewogen moderiert und auch kritischen Fragen Gehör verschafft.
Im Fall der Sendung über Single-Mütter heisst die glückliche Mutter Rebecca Pitsch, die studierte Entwicklungspsychologin litt unter ihrem unerfüllten Kinderwunsch und erfüllte sich diesen im Jahr 2022. Der Eingriff wurde in Deutschland mit Hilfe einer Samenspende aus Dänemark durchgeführt. Für Rebecca Pitsch ein gangbarer Weg, der ihr „die Möglichkeit gibt, Kinderwunsch und Partnerschaft zu trennen.“ Sie plant, ihrem Sohn schon früh zu erzählen, dass sein Vater ein anonymer Spender ist, von dem sie nur ein Spenderprofil kennt. Dieses beinhaltet Angaben über Charakter, Stammbaum und Gesundheit des Spenders, auf Wunsch kann auch eine auch Schrift- oder Sprechprobe angefordert werden.
Familienexpertin Regula Lehmann, die sich seit vielen Jahren mit der Bedeutung von Bindung und leiblicher Elternschaft beschäftigt, bezweifelt, dass eine frühe Information Identitätskonflikte und weitere Schäden verhindert. Ohne Vater aufzuwachsen, fügt Kindern eine tiefe, seelische Verletzung zu, an der viele von ihnen ein Leben lang leiden. Ein im Rahmen der Abstimmung über „Ehe für alle inklusive Samenspende“ 2021 erstelltes Video zum Thema Samenspende der Stiftung Zukunft CH weist eindringlich auf die Bedeutung leiblicher Elternschaft hin. Die UN-Kinderrechtskonvention beinhaltet auch das Recht des Kindes auf das Aufwachsen mit seinen beiden Eltern.
Eigenes Leid durch Kinderrechtsverletzung „heilen“?
Kindern mit Absicht eine Vaterwunde zuzufügen, ist aus Lehmanns Sicht ein zutiefst egoistischer Akt. Im Verlauf des der Sendung vorausgegangenen, ca. 60-minütigen Interviews mit SRF-Redaktorin Florence Fischer führte Regula Lehmann weitere Argumente aus, für die sich im kurzen 10-vor-10-Beitrag kein Platz fand. „Darf ich mein eigenes Leiden vermindern, indem ich dem Kind, das nicht gefragt wird und sich nicht wehren kann, schweres Leid zufüge?“ lautet beispielsweise Lehmanns Statement, wenn sie auf den Schmerz kinderloser Paare hingewiesen wird. Auch wenn dieses Leid tiefes Mitgefühl verdient, stellt es aus Sicht der Familienexpertin keine Legitimation dar, Kindern das fundamentale Recht auf Vater und Mutter vorzuenthalten. Dass Kinder sich danach sehnen, nicht nur mit ihrer Mama, sondern auch mit ihrem leiblichen Papa aufzuwachsen, ist bestens belegt. Erfahrung und Bindungsforschung sprechen dabei eine ebenso deutliche Sprache wie die Berichte verzweifelter Samenspender- oder Adoptivkinder, die als Erwachsene nach ihren Wurzeln suchen.
Reicht „irgendjemand“, um ein Kind aufzuziehen?
Lehmanns Aussage provoziert und, wie das Drehbuch es will, relativiert Kinderpsychologin Sabine Brunner den unangenehmen Begriff „Vaterwunde“ umgehend. Um Identität zu bilden, braucht ein Kind ihrer Ansicht nicht unbedingt seine beiden Eltern, sondern „Leute, die das Kind spiegeln, es lieben, sich mit dem Kind abgeben wollen und sich für das Kind interessieren.“ Es gelte, den Begriff Familie neu zu denken. Die Diskussion über vaterlose Elternschaft müsse nicht mehr geführt werden. Für Brunner geht es nur noch darum, zu fragen, wie kann man dies so gestalten könne, dass diese Kinder gut aufwachsen.
Ethikkommission als Gehilfin der Fortpflanzungsindustrie
Markus Zimmermann, Vizepräsident der Nationalen Ethikkommission, teilt im Beitrag von „10 vor 10“ die Sicht von Sabine Brunner weitgehend. Die Ethikkommission empfiehlt eine Revision des Fortpflanzungsmedizingesetzes, die „Kinder für (fast) alle“ möglich machen soll. Vom Moderator auf den Begriff „Vaterwunde“ angesprochen, kommt der Ethiker aber dann doch leicht ins Stocken und erklärt: „Ich würde sagen, dass jede Frau sich das gut überlegen sollte, wie alle Menschen mit Kinderwunsch.“ Dass auch alleinstehende Männer das „Recht auf ein Kind“ fordern könnten, ist für Zimmermann Fakt und wird seiner Einschätzung nach wohl eines der nächsten Themen der Debatte im Bereich Fortpflanzungsmedizin sein. Leihmutterschaft ist aus Sicht des Ethikers jedoch „Schwieriger, weil noch eine andere Person involviert ist“.
Reproduktionsmedizinische Grausamkeiten
Dr. Christian Spaemann arbeitet täglich mit Menschen, die unter inneren Konflikten leiden, deren Auslöser oft in der frühen Kindheit liegt. In der Broschüre „Kind auf Bestellung“ von Zukunft CH erklärt der erfahrene deutsche Psychologe unter anderem den Unterschied zwischen ungewollter und absichtlich herbeigeführter Vaterlosigkeit: „Brüche in Familienstrukturen aufgrund von Schicksalen oder menschlicher Schwäche gab es immer. Etwas anderes ist es, wenn man aus ideologischen und damit einhergehenden milliardenschweren kommerziellen Gründen die Interessen Erwachsener über die elementaren Bedürfnisse von Kindern stellt und aktiv Brüche und Verletzungen in ihre Lebensgeschichte setzt.
Kühl kalkuliert wird die basale Würde des Menschen verletzt, indem das Kind zu Produkt und Objekt degradiert und Teil eines Menschenhandels wird. Die Reproduktionsmedizin ist bereits in ihren Grundlagen ein Dammbruch gegen die Würde des Menschen. Der Mensch ist ein Subjekt und kein Produkt. In der Reproduktionsmedizin hingegen werden ‚Embryonen […] gemäss einer Produktionslogik auf ihre Qualität geprüft, wie eine Ware; gefroren, aufbewahrt in Tiefkühlbehältern und gegebenenfalls selektiert oder vernichtet‘. Beim natürlichen Zeugungsakt bleibt das daraus entstehende Kind dem direkten Zugriff der Erwachsenen entzogen. Es wird empfangen und nicht hergestellt. Niemand kann die Verantwortung dafür übernehmen, einen Menschen ‚herzustellen‘.
Wir haben es hier mit einer Selbstüberhebung des Menschen über seine Kreatürlichkeit zu tun. Technische Manipulation steht gegen die natürliche Verwobenheit des Menschen: eine staunenswerte, generationenübergreifende Verwobenheit auf leiblicher, seelischer und geistiger Ebene, deren Kern Liebe ist und die wir erst begonnen haben zu verstehen. Opfer der reproduktionsmedizinischen Grausamkeiten sind nicht nur die aus ihnen entstandenen Kinder, sondern häufig auch deren Eltern, insbesondere deren Mütter, die sich aus oft nachvollziehbaren Motiven zu solchen technischen Manipulationen haben verführen lassen und sich dann unter grossen Opfern bemühen, das Beste für ihre Kinder daraus zu machen.“
Mehr zum Thema von Dr. med. Christian Spaemann, Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin in der aktuellen Broschüre von Zukunft CH „Kind auf Bestellung? Fortpflanzungsmedizin zwischen Machbarkeit und Kindeswohl“. Darin gehen er und Susanne Kummer, Direktorin des IMABE (Institut für Medizinische Anthropologie und Bioethik), diesen Fragen zum Thema nach.
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Zum Video: Samenspende für lesbische Paare?