Das „Forum Gesundheit und Medizin“ führt von Februar bis Juni 2020 zusammen mit dem Zürcher Psychologieprofessor Guy Bodenmann die öffentliche Vortrags- und Gesprächsreihe „Zur Psychologie der Liebe“ durch. Bodenmann hat aufgrund seiner wissenschaftlichen Forschung nicht nur den erfolgreichsten Paar-Ratgeber der Schweiz geschrieben („Was Paare stark macht“, Beobachter-Edition), sondern auch „Paarlife“ entwickelt, ein Angebot der Universität Zürich zur Pflege der Partnerschaft. Dominik Lusser von Zukunft CH im Interview mit dem Paar-Experten.
Zukunft CH: Sie haben bei anderer Gelegenheit von einem dreifachen Commitment in der Partnerschaft gesprochen. Welche Aspekte umfasst dieses Engagement?
Bodenmann: Commitment umfasst die kognitive Einstellung und Positionierung für diese Partnerschaft, das emotionale Bemühen, sich voll in die Beziehung hineinzugeben, sich dem anderen gegenüber zu öffnen und als engsten Vertrauten zu verstehen sowie das Engagement für eine zufriedenstellende Sexualität. Eine Paarbeziehung lebt vom Commitment beider, beide müssen sich für das Wohl der Partnerschaft einsetzen, sich täglich um eine positive Paarkultur bemühen.
Zukunft CH: Was können Paare tun, damit Verletzungen, die durch einen Vertrauensbruch geschlagen wurden, heilen können?
Bodenmann: Vertrauen ist das Fundament einer Partnerschaft. Eine enge Bindung zum anderen kann nur auf gegenseitiger Verlässlichkeit aufgebaut werden, auf dem Wissen, dass der andere einem achtgibt, man sich bei ihm geborgen fühlen kann. Nur vor diesem Hintergrund ist gegenseitige Selbstöffnung und Intimität, die wirkliche Tiefe einer Liebesbeziehung möglich. Ein Vertrauensbruch ist daher immer sehr schmerzhaft und verstörend, besonders wenn man nicht damit rechnet und dem anderen volles Vertrauen entgegenbringt. Der Umgang mit Vertrauensbrüchen gehört entsprechend zu den schwierigsten Aufgaben. Vom Gelingen dieses Bemühens hängt es ab, ob die Beziehung weiterhin von Bestand sein wird und ob sie je wieder die Qualität von früher erreichen kann. Dazu braucht es seitens beider Partner eine gewisse Bindungssicherheit, grosse Offenheit, Toleranz und die Fähigkeit zum Verzeihen. Ein Neubeginn gelingt nur, wenn sich beide einen unvoreingenommenen Neustart zugestehen können.
Zukunft CH: Was kann ein Psychologe einem Paar raten, bei dem beide Partner zu 100 Prozent berufstätig sind und eine Karriere anstreben. Worauf müssen diese Paare besonders achtgeben?
Bodenmann: Stress zählt zu den wichtigsten Risikofaktoren für Partnerschaften. Je mehr chronischer Stress, desto höher die Wahrscheinlichkeit eines negativen Beziehungsverlaufs. Es gilt daher besonders darauf zu achten, dass trotz hoher Arbeitsbelastung ausreichend Zeit für die Partnerschaft bleibt und dass man diese Zeit gut nutzt, mit persönlichen Gesprächen und emotionalem Updating, schönen gemeinsamen Erlebnissen, zur gegenseitigen Unterstützung. Auch sollte die Paarbeziehung einen klaren Stellenwert in der Prioritätenliste beider haben.
Zukunft CH: Was macht es einem verletzten Partner einfacher, Fehler des anderen zu verzeihen?
Bodenmann: Einerseits hängt die Fähigkeit des Verzeihens von Persönlichkeitsmerkmalen ab, andererseits von der Schwere des Fehlers, der Häufigkeit des Auftretens (einmalig, immer wieder), der Einsicht des Fehlerbaren in seinen Fehler, die Ursachenzuschreibung (aus welchen Gründen hat er den Fehler begangen) sowie den Umgang damit (entschuldigt man sich, kommt es zu einer Wiedergutmachung, versöhnt man sich, gibt man sich in Zukunft mehr Mühe, etc.). Der Umgang mit Fehlern ist ein wichtiger Bestandteil der Paarkultur, da immer wieder Fehler, Unterlassungen und Versäumnisse, Kränkungen und kleinere und grössere Verletzungen passieren. Da niemand fehlerfrei ist, gehört es zum Zusammenleben von Paaren dazu, gemeinsam Schwächen des anderen zu akzeptieren. Sind die Verletzungen allerdings zu gross, sollte professionelle Unterstützung (z.B. Paartherapie) in Anspruch genommen werden.
Infos zu den Vorträgen unter: https://gesundheitundmedizin.ch/tagung/zur-psychologieder-liebe.html