Rudolf Schmidheiny ist ein Mann, der zu kritischem Denken anregt. Mit seinem Buch „Kinder gehören den Eltern, nicht dem Staat“, hat der vierfache Vater und Gründer der Initiative „Bildung zu Hause“ eine Streitschrift verfasst, die Etabliertes in Frage stellt. Weil Schmidheiny in seinen Ausführungen immer wieder Anliegen aufnimmt, für die sich auch Zukunft CH seit vielen Jahren einsetzt, publizieren wir hier seinen Artikel über das Geheimnis schweizerischer Eigenständigkeit in zwei Teilen. Im zweiten Teil geht es um Bildung, Elternrechte, Demokratie und Eigenständigkeit.
UN-eidgenössische Gesinnung
Mit „UN“ lässt sich das Wortspiel von UN-eidgenössisch formulieren. „UN“ steht als Abkürzung für „United Nations“, einer Gesinnung, wie sie in die AEMR, ein Grundpfeiler der UN[O], ein- und seither auf rund vier Generationen von Menschen der gesamten Weltbevölkerung ausgeflossen ist. Die daraus entstandene allgemeine Anspruchsgesinnung ist ein Gift, das Menschen ihre natürlichen Pflichten, wie sie unsere Vorväter als selbstverständlich verstanden haben, vergessen lässt. Diese Haltung findet selbstverständlich in der wenig bedachten Erwartung ihren Ausdruck, dass der Staat uns die „schwierige Aufgabe“ der Kindererziehung nicht nur abnehmen soll, sondern müsse.
Des Weiteren wird die Zwangsbeglückung mittels staatlichem Bildungsgut nicht nur als das Beste beurteilt, was Eltern Kindern darreichen können, sondern wer diese Tatsache fragend betrachtet oder sich dagegen wehrt, wird als Aufrührer verschrien. Das Recht auf Bildung jedes Menschen (AEMR Art. 26.1) darf Eltern also daran hindern, ihre mit der Zeugung eines Kindes auf sich genommene Pflicht, für dieses Kind zuständig und besorgt zu sein nicht nur abzuwerfen und dem Staat zu überlassen. Nein, der Staat zwingt Eltern ihre Kinder durch die Schulanwesenheitspflicht ab. Letztere übertrumpft sowohl Elternrecht als auch -pflicht.
Schule als Befreiung von Elternpflicht?
Zu dieser erwartungsvollen, die Eigenständigkeit der Familie vergiftenden Haltung hat der Staat in entgegengesetztem Sinn ein System entwickelt, das dieser Haltung der Eltern entgegenkommt und fast alle an ihn heran getragenen Elternwünsche erfüllt. Schulzwang wird somit zur Befreiung von Elternpflicht. Die von Eltern wahrzunehmende Erziehungspflicht, welche eine freie und volle Entfaltung seiner (des Menschen) Persönlichkeit am ehesten erlaubte, wird mittels dieses Anspruchs auf, bzw. durch den staatlichen Zwang zu Schulbildung, aktiv verhindert. AEMR-Artikel 26.2. setzt den fehlenden i-Punkt, indem die gestellte Forderung heisst, Bildung müsse auf die „volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit“ gerichtet sein.[1]
Es kommt aber noch besser, denn es folgt der nachrangige[2] AEMR-Artikel 26.3. Eltern wird darin das „vorrangige Recht“ zugestanden, „die Art der Bildung zu wählen, die ihren Kindern zuteil werden soll“. Doch genau das verhindert der Schulzwang.[3] Die Art der Bildung bestimmen staatlich verordnete oder zumindest staatlich anerkannte und überprüfte Bildungsprogramme. Eltern, die darauf bestehen, die „weltanschauliche Orientierung“ ihrer Kinder selber bestimmen zu wollen – eben eine andere als die durch die Schule[4] vermittelte AEMR UN-Gesinnung –, werden umgehend erfahren, dass das Recht, die Art der Bildung zu wählen, ein wertloses Lippenbekenntnis ist. Lehrkräfte, Schulleiter, Behörden, Richter und Politiker haben dieses Recht bereits usurpiert, d.h. widerrechtlich an sich gezogen. Es ist Eltern nicht erlaubt, in weltanschaulichen Belangen der Erziehung mitzureden. Allen Kindern wird derselbe Einheitsbrei vorgesetzt. Eltern werden nicht nur daran gehindert, ihre durch die AEMR Artikel 26.3 zugestandenen Rechte auszuüben. Weitaus schlimmer – aber diesem Umstand genau entsprechend – ist die Tatsache, dass Eltern staatlicherseits daran gehindert werden, jene Erziehungspflichten auszuüben, die der „vollen Persönlichkeitsentfaltung“[5] dienen würden. Von Eltern wahrgenommene Erziehungspflichten dienen beiden, den Eltern und ihren Kindern.
Demokratie – Die Schweiz, ein Musterknabe?
Die Macht liegt, sofern die Schweiz z.B. eine Demokratie[6] wäre, beim Volk, nicht in der Verwaltung, nicht in der Politik und auch nicht bei den Medien. Doch Demokratie hin oder her: Der Mensch kann sehr wohl ohne alle staatlichen Institutionen leben und sich durchschlagen. Gemäss abendländischer Tradition hat die staatliche Obrigkeit als einzige (von Gott, dem Allmächtigen) zugeteilte Aufgabe, mittels Staatsgewalt Übeltäter oder Kriminelle zu fassen und sie aufgrund geordneter Rechtsprozesse der Strafe und, wo möglich, der Wiedergutmachung verursachten Schadens zuzuführen. Alles andere kann die Familie oder die lokale Gemeinschaft nicht nur selber regeln, sondern sie sollte das im Grunde genommen so halten, insbesondere in einer direkten Demokratie.
Unverkennbare Eigenschaft einer Demokratie wäre es, dass staatliche Strukturen auf ein Minimum beschränkt blieben und die Verwaltung es sich zur Aufgabe machte, wo immer möglich staatliche Instutionen zurückzubauen oder gar aufzuheben. Eine demokratische Verwaltung müsste gewissermassen als Grundregel sich selbst abschaffen wollen, damit die Macht beim Volk bleiben kann. Dieses Volk, so sieht es die Verfassung vor, wäre ein Volk unter Gott, d.h. eine Menschengemeinschaft, die sich darauf geeinigt hat, sich an Gottes Gebote zu halten. Die Referenzierung Gottes, des Allmächtigen als Eingang in die BV ist schliesslich ein Verweis auf das abendländische Kulturbuch, das eben nicht die Form einer Menschenrechtserklärung mit 30 Artikeln und 50 Rechtsansprüchen hat, sondern die schlichte Aufforderung: seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan; daneben findet sich die unübersehbare Menge an Aufforderungen, das Böse zu meiden und Gutes zu tun. – Pflicht über Pflicht über Pflicht.
Durch Freiheit und Pflicht zur Eigenständigkeit
Es darf nun nicht erstaunen, dass in der BV bereits in der Präambel der wunderbare Satz steht, dass Freiheit nur dem nützt, der Freiheit gebraucht.[7] Wer in schweizerischer Eigenständigkeit leben will, der kann nicht von staatlicher Bevormundung gegängelt leben wollen. Die Freiheit des Schweizers darf nicht durch staatlichen Zwang eingeengt werden. Staatliche Gesetze dürfen den Bürger nicht daran hindern, seine ureigensten Pflichten – Bildung und Erziehung der Kinder[8] – wahrzunehmen.
In einer Demokratie wird nicht nur erwartet, dass der Einzelne seinen Menschenpflichten nachkommt. Gemäss BV Art. 6 ist es normale Bürgerpflicht, durch Selbstanhandnahme alle sich ergebenden Zuständigkeiten nach Kräften zur Entlastung von Allgemeinheit und Staat eigenständig zu erfüllen.[9] Bedenkt man, wie sehr ein einzelner Schüler während nur zwölf normalen Schuljahren die Allgemeinheit mit geschätzten CHF 180‘000 belastet, bleibt es unverständlich, warum man Eltern alle erdenklichen Hindernisse in den Weg legt, wenn sie diese Kosten durch Eigeninitiative einsparen wollen, indem sie ihre Kinder ohne Staatszwang auf natürliche Weise selber ins Leben leiten. Subsidiär (BV Art. 5a) dürfte der Staat erst einschreiten, wenn Eltern als Erzieher versagt haben. Tatsächlich greifen Staatsorgane, entgegen den in BV Artikel 5 geregelten Grundsätzen rechtsstaatlichen Handelns, die Verhältnismässigkeit verlangen, vorsorglich in die souveräne Sphäre der Familie ein. Dies ist eine unüberbietbare Misstrauensbekundung einer sich selbst ernannten Bildungselite gegenüber Eltern.
Es ist mehr als ein grober Schönheitsfehler in der BV, dass die vorstaatlichen Pflichten des Bürgers in Artikel 6, den Pflichten der Verwaltung (Art. 5) nachgeordnet sind. Dies zeugt von der widernatürlichen Wirklichkeitsvorstellung der Verfasser der BV aus dem Jahre 1999. Nicht allein ist abendländische Tradition somit aufgehoben, sondern diese Gesinnung setzt sich in Widerspruch zur natürlichen Lebensordnung: Die Verfasser ordnen die Staatsaufgaben der Erfüllung von Bürgerpflichten vor, was doch jeder menschlichen Logik wider- und bürokratischer Selbstüberhebung entspricht. Dies zu erkennen, braucht etwas Achtsamkeit, dies ändern zu wollen verlangt Mut. Dies nicht nur zu erkennen und ändern zu wollen, sondern die Änderung durch Selbstanhandnahme auszuleben, verlangt nach übermenschlichen Kräften. Darum ist ein Mensch, der sich unter Gott, den Allmächtigen stellt, gut beraten.
In unserer neuen Broschüre „Die Schweiz im Umbruch: Wie Freiheit und Verfassung umgewertet und verletzt werden“ führt der Jurist und Mitarbeiter von Zukunft CH Ralph Studer die zunehmende Umdeutung und Verletzung von Verfassungsrechten aus. Die Broschüre kann über Tel. 052 268 65 02 oder via Bestellformular angefordert werden.
Hier geht es zum ersten Teil des Artikels: Teil 1
[1] Eben in diesem selben Artikel 26 der AEMR und noch im selben Satz heisst es weiter, dass die Bildung ebenso auf die „Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet sein muss“.
[2] Nachrangig: Art. 26.1 = Recht des Kindes auf Bildung; Art. 26.2 = Volle Entfaltung und Stärkung der Menschenrechte; Art. 26.3 = Eltern werden zuletzt erwähnt; dieser Paragraph heisst eigentlich, dass sich Eltern zuerst Art. 26.1 und 2 zu unterwerfen haben und damit anerkennen, dass die ihnen zugesprochenen Rechte nichtig sind. Wer in den heutigen Schulsystemen auf Art. 26.3 zu beharren suchte, wird diese Aussage bald einmal bestätigen.
[3] Entsprechende Nachweise finden sich in meinem Buch „Kinder gehören den Eltern, nicht dem Staat!“
[4] Schule ist eine Parallelwelt, zu der Eltern keinen Zutritt haben.
[5] Art. 29.1 erwähnt sehr verallgemeinernd die einzigen Bürgerpflichten, der AEMR.
[6] Demokratie = Volksherrschaft
[7] BV Präambel:
Im Namen Gottes des Allmächtigen!
Das Schweizervolk und die Kantone,
in der Verantwortung gegenüber der Schöpfung,
im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit und Frieden in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt zu stärken,
im Willen, in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Einheit zu leben,
im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen,
gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen,
geben sich folgende Verfassung
[8] „Das Recht der Eltern, die Pflege und Erziehung des Kindes zu leiten, […] ist grundsätzlich unübertragbar,
unverzichtbar und unverderblich und daher höchst persönlicher Natur.“ (Tschümperlin, Urs: Die elterliche Gewalt in Bezug auf die Person des Kindes (Art. 301 bis 303 ZGB).)
„Es ist nicht der Staat, nicht die Schule, nicht irgendetwas anderes des Lebens Fundament, sondern das Haus ist es. Nicht die Regenten regieren das Land, nicht die Lehrer bilden das Leben, sondern Hausväter und Hausmütter tun es; nicht das öffentliche Leben ist die Hauptsache, sondern das häusliche Leben ist die Wurzel von allem, und je nach dem die Wurzel ist, gestaltet sich das andere.“ (Jeremias Gotthelf in „Geld und Geist“)
[9] BV Art. 6 „Jede Person nimmt Verantwortung für sich selber wahr und trägt nach ihren Kräften zur Bewältigung der Aufgaben in Staat und Gesellschaft bei.“ Das in BV Art. 5a verankerte Subsidiaritätsprinzip wurde erst 2004 rechtskräftig in die Verfassung aufgenommen und hat seit Inkrafttreten 2008 bewiesen, dass verbale Bezeugungen, ob Präambel oder rechtsgültige Artikel, wirkungslos sind, wenn ein Volk bereits seit Generationen durch die Predigt von Rechtsansprüchen ‹vergiftet› worden ist. Die Verwaltung setzt sich genauso über Verfassungsrecht hinweg, wie sich der Bürger darum futiert: „Gut steht es in der Verfassung, wir halten uns sicher nicht daran“.