Der Bundesrat und die Gegner lehnen die Familieninitiative ab, weil diese nach ihrer Meinung Familien, welche ihre Kinder zu Hause betreuen, steuerlich bevorzugt behandelt. Einzelne Gegner steigern sich sogar zur Behauptung, dass diese Initiative falsche Anreize schaffe, nämlich, dass die Frauen sich vom Arbeitsmarkt fernhalten und ihre Fähigkeiten nicht nutzbringend in der Wirtschaft einsetzen. Auf diese Weise betreiben die Gegner eine Ökonomisierung der Familie. Feminismus und Kapitalismus sind sich in dieser Sache ausnahmsweise einig: Krippen- und Wirtschaftsförderung gehen Hand in Hand. Es zählt nur noch derjenige etwas, der zum Bruttosozialprodukt beiträgt, nicht aber derjenige, der unbezahlte oder gar ehrenamtliche Arbeit leistet. Wollen wir solche Signale aussenden?
Bei dieser Initiative geht es jedoch weder um feministische noch um wirtschaftliche Interessen, sondern das Kernanliegen der Initiative ist die Förderung der echten Wahlfreiheit für Familien, welche in einem liberal-demokratischen Staat an sich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Dies hat nichts damit zu tun, das Rad der Zeit zurückzudrehen. Im Gegenteil. Eine moderne Familienpolitik, die diesen Namen auch verdient, setzt sich für die Anliegen der Familien im Allgemeinen ein und stärkt deren Wahlfreiheit. Werfen wir einen Blick auf die tatsächlichen Fakten: Familien, die ihre Kinder selber betreuen, finanzieren über die Steuergelder die Krippenplätze, welche sie nicht in Anspruch nehmen, mit und verzichten bewusst zu Gunsten ihrer Kinder auf ein zweites Einkommen mit der Folge, dass sie über weniger finanzielle Mittel verfügen. Damit verzichtet die Person, die sich der Familie widmet, nicht nur auf ein zusätzliches Einkommen, sondern auch auf bessere Sozialleistungen (Krankheit, Unfall, Invalidität und Alter), da die Person in dieser Zeit keine Beiträge an die Pensionskasse leisten, die Möglichkeit einer dritten Säule nicht nutzen kann und dementsprechend auch keine steuerlichen Vorteile hat. Darüber hinaus anerkennt die Initiative durch den Steuerabzug für selbst betreuende Familien die täglich in unseren Familien geleistete Erziehungsarbeit, welche heute nicht hinreichend geschätzt wird. Es ist dringend an der Zeit und ein Gebot der Stunde, dass auch die vielen Tausend Mütter und Familienfrauen die gebührende Wertschätzung und Anerkennung für ihre unermüdliche Tätigkeit in unserer Gesellschaft erhalten, ohne die unsere Gesellschaft undenkbar wäre.
Diese Ausführungen verdeutlichen, dass diese Initiative die bestehenden Ungerechtigkeiten und Nachteile zu lasten der Familien, welche ihre Kinder selber betreuen, beseitigt und ein wichtiger Meilenstein auf dem Wege zu einer modernen Familienpolitik darstellt, welche den Familien echte Wahlfreiheit ermöglicht.
Von Ralph Studer