Die Fakten: Mehr als 360 Millionen Christen wurden 2022 weltweit verfolgt. 5621 gaben ihr Leben für den Glauben. Warum das wichtig ist: Keine Religionsgruppe wird härter und systematischer unterdrückt als die Christen. Im Westen nimmt man davon kaum Notiz.

In zwei Tagen, am sogenannten Karfreitag, gedenken wir des Todes von Jesus Christus, vielleicht dem ersten Opfer jener Religion, die er, ein frommer, leidenschaftlicher Jude, begründet hat, ohne sich dessen bewusst zu sein. Wenn es sich auf lange Sicht auch als ein Vorteil herausstellen sollte, dass Jesus als Märtyrer starb, so war es doch erstens unendlich brutal für ihn selbst, zweitens für alle, die seinem Vorbild folgen würden:

  • Seit 30 oder 33 n.Chr., dem mutmasslichen Zeitpunkt, da Christus von den Römern in Jerusalem hingerichtet worden war, kamen je nach Schätzung bis zu 70 Millionen Christen um, weil sie sich zu ihm bekannten
  • Zwei Drittel davon in den vergangenen 100 Jahren, die meisten starben in kommunistischen Ländern, geplagt, verfolgt und getötet im Namen des radikalen Atheismus
  • Wogegen in den ersten Jahrhunderten nach Christus wohl rund 100 000 Gläubige als Märtyrer ihr Leben verloren, weil sie in Jesus den Messias sahen, wofür insbesondere die römischen Behörden lange kein Verständnis aufbrachten

Es mag zynisch klingen: Aber kaum etwas anderes hat wohl mehr dazu beigetragen, dass seinerzeit selbst die römischen Heiden den Christen Respekt entgegenbrachten und ins Grübeln gerieten: Wer würde denn für Christus sterben, wenn es sich bei ihm nicht wirklich um Gott handelte?  Nichts verunsicherte die Heiden mehr. Viele konvertierten deshalb zum neuen Glauben, aus den einstigen Tätern wurden künftige Opfer.

  • Man kann auch von einer besonders makabren Form des Marketings sprechen
  • Märtyrer verliehen der jungen Religion eine unwahrscheinliche Glaubwürdigkeit

Heute werden Christen nach wie vor verfolgt – ob dies auch dazu führt, dass mehr Menschen zu diesem Glauben finden? Gut möglich. Kaum eine Religion wächst in Asien zum Beispiel rascher – weil auch keine Religion dort unerbittlicher angegangen wird, wie der neueste Bericht von Open Doors belegt, einer christlichen, ökumenischen NGO, die sich auf die Dokumentation der modernen Christenverfolgung spezialisiert hat:

  • 2 von 5 Christen weltweit werden in Asien unterdrückt
  • Kein Land fällt dabei negativer auf als Nordkorea, das kommunistische Steinzeit-Paradies, wo die Menschen hungern, während ihre Chefs lieber neue Atombomben bauen als die Versorgungslage zu verbessern
  • Als genauso verheerend erweist sich die Lage für Christen in Afghanistan – seit die Nato das Land sich selbst überlassen hat. Am meisten gefährdet sind Menschen, die vom Islam zum Christentum konvertiert haben. Darauf steht (gemäss der Scharia) die Todesstrafe

Wenn es allerdings ein Land gibt, das die Christenverfolgung zu einer neuen Staatsaufgabe erhoben hat, wo sämtliche Methoden des modernen, technologisch verfeinerten Sadismus zur Anwendung kommen, dann ist das China:

  • Christen werden ständig elektronisch überwacht und ausspioniert. Kameras in der Kirche, Kameras auf dem Weg dorthin, Kameras, wo immer Christen beten und predigen
  • Ebenso müssen Christen damit fertigwerden, dass die Behörden ihr Verhalten im Internet dauernd kontrollieren und zensieren, jeder Psalm ein Verrat

Natürlich haben die Kommunisten ihre alte, bewährte Unterdrückungskunst nicht vergessen. Gefängnis und Entführung, Hausarrest und Folter:

  • In der Provinz Sichuan (bei Bertolt Brecht hiess sie Sezuan) wurden 2022 die Mitglieder einer protestantischen Kirche verhaftet und in spezielle Gefängnisse verfrachtet, ohne Prozess, ohne Begründung, stattdessen hielt man sie fest, bis sie ihrem Glauben abschworen. Ebenso legten ihnen die Behörden Schuldeingeständnisse vor, die sie nur noch unterzeichnen mussten – um dann entsprechend bestraft zu werden
  • Man habe ihn, so berichtete einer der Verhafteten nachher, acht bis neun Monate in einem fensterlosen Keller eingesperrt, dabei sei er wiederholt misshandelt worden: „Du siehst nie die Sonne und verlierst jedes Zeitgefühl“. Manche trugen sich mit Selbstmordgedanken
  • 2022 wurde der römisch-katholische Bischof Peter Shao Zhumin für zwei Wochen festgesetzt – ohne Erklärung, warum. Er war 2011 vom Papst zum Bischof ernannt worden – was die chinesischen Kommunisten allerdings nie akzeptiert hatten. Ein anderer Bischof, Taddeo Ma Daqin, wird seit 2012 im Hausarrest gehalten

Verfolgung im Grossen, Verfolgung im Kleinkarierten. Obschon in China offiziell Religionsfreiheit herrscht, wird schikaniert und drangsaliert, wer auf das Gesetz vertraut und sich die Freiheit nimmt, Gott zu verehren. Solche unbelehrbaren Menschen werden behandelt, als wären sie Staatsfeinde. Wenn der Verfolgungsapparat schon kleinkariert ist, dann aber im grossen Stil: Seit dem 19. Jahrhundert leben auf Qushan, einer Insel vor dem südostchinesischen Festland, Christen: einfache Leute, meistens Fischer; man geht davon aus, dass etwa ein Drittel der rund 70 000 Inselbewohner an Christus glauben. Ihnen wurde seinerzeit von englischen Missionaren das Evangelium nähergebracht

  • Weil sie Christen sind, haben die Fischer auf den Masten ihrer Boote Kreuze errichtet
  • Zudem beweisen sie ihre religiöse Verbundenheit, indem sie auf den Bug die Inschrift „Emmanuel“ aufgemalt haben, „Gott sei mit uns!“ bedeutet der Name auf Hebräisch, einem Märtyrer aus der Epoche der frühen Christenverfolgung

„Gott sei mit uns“ – oder eben auch nicht. Jedenfalls tauchten eines Morgens, dem 21. Juli 2021, Beamten bei den Fischern auf und verlangten, dass die Kreuze verschwänden. Ebenso sollte „Emmanuel“ übermalt werden. Falls sich die Fischer weigerten – was sie zunächst taten –, drohte man, ihnen die Fangerlaubnis zu entziehen, irgendwelche staatlichen Lizenzen, was sie beruflich erledigen würde. Als wäre das noch nicht genug, stellte man ihnen ferner in Aussicht, ihnen Benzin vorzuenthalten, und sollte das nicht wirken, wollte man ihnen gar verbieten, mit dem Boot aufs Meer hinauszufahren. Als die Fischer nach einem schriftlichen Dokument fragten, das das Vorgehen der Behörden legitimierte, erhielten sie keine Antwort. Ein Fischer klagte:

  • „Unsere Boote sind Privateigentum. Die Bezirksregierung zerstört unser privates Eigentum, wenn sie Kreuze gewaltsam entfernt, nicht wahr? Warum entfernen sie nur Kreuze, aber keine Zeichen anderer Religionen? Warum stören sie die Kreuze?“

Privateigentum? Der Mann hat Nerven. Vielleicht findet er in der Bibel Trost. Mit Blick auf die Situation der Christen schrieb Johannes, der Evangelist: „Wenn ihr von der Welt stammen würdet, würde die Welt euch als ihr Eigentum lieben. Aber weil ihr nicht von der Welt stammt, sondern weil ich euch aus der Welt erwählt habe, darum hasst euch die Welt.“ (Joh 15,19)

 

Ich wünsche Ihnen frohe Ostern
Markus Somm

 

Publikation mit freundlicher Genehmigung des Nebelspalter.