Am 8. März 2024 wird der Internationale Tag der Frau, kurz Weltfrauentag genannt, begangen. Offiziell machen Gewerkschaften und Organisationen an diesem Tag den Kampf für die Gleichstellung und gegen Gewalt an Frauen zum Thema. Doch hat dieser Aktionstag für Frauenrechte in privilegierten, westlichen Ländern wie der Schweiz überhaupt noch eine Daseinsberechtigung?
Ein Kommentar von Regula Lehmann
Der internationale Tag der Frau hat eine lange Geschichte. Entstanden ist er als Initiative sozialistischer Organisationen in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Europäische Frauen kämpften anfangs des 20. Jahrhunderts um Gleichberechtigung, Wahlrecht und Emanzipation. Zu den bekanntesten unter ihnen zählten die deutsche Sozialistin Clara Zetkin und deren Freundin Rosa Luxemburg, eine ursprünglich polnische Kommunistin. Zetkin schlug auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz am 27. August 1910 in Kopenhagen die Einführung eines internationalen Frauentages vor und stiess mit ihrem Antrag auf offene Ohren.
So ist im Protokoll dieser Frauenkonferenz zu lesen: „Im Einvernehmen mit den klassenbewussten politischen und gewerkschaftlichen Organisationen des Proletariats in ihrem Lande veranstalten die sozialistischen Frauen aller Länder jedes Jahr einen Frauentag, der in erster Linie der Agitation für das Frauenwahlrecht dient. […] Der Frauentag muss einen internationalen Charakter tragen und ist sorgfältig vorzubereiten.“
„Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden“
Auch in den USA wurde bereits früh ein Tag für Frauenrechte etabliert. Im Jahr 1908 gründeten Frauen der Sozialistischen Partei Amerikas (SPA) ein Nationales Frauenkomitee, und dieses initiierte einen nationalen Kampftag für das Frauenstimmrecht. Der erste Frauentag in den USA fand am 28. Februar 1909 statt und hatte durchschlagenden Erfolg.
Dies gelang unter anderem, weil auch bürgerliche Frauenrechtlerinnen (Sufragetten) die Forderungen nach dem Frauenwahlrecht unterstützten und gemeinsam mit den Sozialistinnen demonstrierten. Weil die neue Form des Aufstands gegen die Alleinherrschaft der Männer auch die Frauen anderer Bundesstaaten inspirierte, kam es im Februar 1910 auch in Nordamerika zu Frauendemonstrationen für das Wahlrecht.
Die Schweiz als Mitbegründerin des Weltfrauentags
Der erste Internationale Tag der Frau wurde bereits am 19. März 1911 in Dänemark, Deutschland, Österreich-Ungarn und der Schweiz durchgeführt. Gewählt wurde dieses Datum, um den revolutionären Charakter des Frauentags hervorzuheben: Der Vortag, der 18. März, war nämlich der Gedenktag für die Gefallenen während der Märzrevolution 1848. Durch einen späteren Beschluss auf der Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen 1921 in Moskau wurde der Weltfrauentag dann endgültig auf den 8. März festgelegt und gehört in der Schweiz zu den vom Bund anerkannten und unterstützten Welttagen.
Ob dies angesichts der vielen erreichten Ziele noch angebracht ist, wäre allerdings zu diskutieren. Stand in den Anfängen insbesondere der Kampf für das Wahlrecht von Frauen auf der Agenda des Frauentags, liegt der Fokus heute auf anderen Themen. Auf der Webseite der Schweizerischen Eidgenossenschaft ist zu lesen: „Am 8. März ist Internationaler Frauentag. Weltweit wird an diesem Tag auf Gewalt gegen und Benachteiligung von Frauen aufmerksam gemacht. Die Schweiz unterstützt Frauen in ihrem Kampf für Gleichberechtigung und fördert das politische und wirtschaftliche Empowerment von Frauen und Mädchen.“
Ist der Weltfrauentag noch zeitgemäss?
Kaum jemand würde heute bestreiten, dass es richtig war, für das Frauenstimmrecht, die Zulassung an Universitäten und andere Gleichbehandlungen von Frauen zu kämpfen. Ebenso unbestritten ist die Notwendigkeit, gegen Gewalt und Ausbeutung von Frauen vorzugehen. Wobei in diesem Zusammenhang die Frage erlaubt sein muss, weshalb Feministinnen nicht entschiedener gegen Prostitution und Pornografie aufstehen, sondern diese zutiefst frauenverachtenden „Industriezweige“ oft sogar noch verharmlosen oder stützen.
Statt für den Schutz von wenig privilegierten Frauen einzutreten, haben viele Feministinnen sich der „Treibjagd“ des weissen Mannes verschrieben, der an allen Missständen schuld sein muss und deshalb gnadenlos gehetzt werden darf. Mit Begriffen wie „toxische Männlichkeit“ werden Männer per se unter Generalverdacht gestellt. Könnte es sein, dass dem Feminismus in den reichen, westlichen Ländern die Lieblingskampfthemen ausgehen?
Von der Freiheitsbewegung zur Staatsdoktrin
Claudia Wirz schreibt in der NZZ vom 15. August 2023: „Früher war der Feminismus eine bürgerliche Freiheitsbewegung, die sich gegen einen übergriffigen Staat wehrte. Doch dieser Geist ist verflogen. Heute ist der Feminismus keine Freiheitslehre mehr, sondern eine Staatsdoktrin mit planwirtschaftlichen Attitüden und obrigkeitlichen Bekehrungsabsichten.“
Statt sich gegen den Staat zu wehren, werden nicht linientreue Personen beruflich oder persönlich attackiert. Geht es um „falsche Meinungen“, darf auch hartes Geschütz aufgefahren werden. Queer-Aktivistin Anna Rosenwasser, die seit den Wahlen 2023 im Nationalrat sitzt, wurde am 8. März 2023 von der Frauenzeitschrift Annabelle wie folgt zitiert: „Wenn ich etwas gelernt habe vom Feminismus, dann: so hässig wie nötig und mit so viel Liebe wie nötig.“
Dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und einem konstruktiven Miteinander von Mann und Frau dürften solche Haltungen nicht dienen. Ob es an der Zeit wäre, den Weltfrauentag ersatzlos zu streichen oder ihn durch einen „Welttag des respektvollen Miteinanders“ zu ersetzen?