Edward Bernays (1891–1995) war überzeugter Propagandist und machte keinen Hehl aus seiner Gesinnung. Die Meinung der Masse zu steuern, war für ihn ein erstrebenswertes Ziel. So stellte er sich auch die Frage nach der „Massenpsyche“ und wie man diese beeinflussen kann. Seine offen formulierten Erkenntnisse können uns helfen, diese Methoden auch heute zu entlarven und uns dagegen zu wappnen.

Von Ralph Studer

Propaganda und Manipulation sind keine Phänomene der neueren Zeit, sondern gehören seit jeher zur Menschheit. Umso mehr erstaunt es, dass sich gerade unsere moderne Gesellschaft dieser Einflüsse scheinbar nicht mehr bewusst ist und sie ausblendet. Somit haben Propagandisten ein leichtes Spiel.

Motive manipulieren

Bernays gilt als Vater der modernen Propaganda. Er befasste sich zeitlebens mit der Frage, wie Propaganda funktioniert und wie man die öffentliche Meinung und so die Massen steuern kann. Diese Steuerung ist dann möglich, wie Bernays schreibt, „wenn es den verborgenen Herrschern [einer Gesellschaft] gelingt, den Einzelnen in seiner Gruppenzugehörigkeit zu erreichen und seine Motive zu manipulieren“.

Schlüsselfunktion „Anführer“

Dabei unterscheidet sich das Gruppenbewusstsein wesentlich von dem des Individuums. „Wenn wir aber wissen“, so Bernays, „wovon und wie die Massenpsyche bewegt wird – sollte es dann nicht möglich sein, sie unbemerkt nach unserem Willen zu lenken und zu manipulieren?“ Eine Schlüsselfunktion spielen dabei Anführer und wesentliche Entscheidungsträger in Staat, Kirche, Wirtschaft und Gesellschaft, je nach Bereich, in dem die Manipulation erfolgen soll.

Gelingt es, diese Leader zu beeinflussen, „kann man das automatisch auch mit der von ihnen gelenkten Gruppe tun“. Dies funktioniere nicht nur, wenn Menschen gemeinsam an einer Versammlung oder Demonstration teilnähmen. Da der Mensch von Natur aus ein Gemeinschaftswesen sei, empfinde er auch dann als Mitglied der Herde, wenn er allein zu Hause sitze. „Die durch den Einfluss der Gruppe geprägten Verhaltensmuster“, ist Bernays überzeugt, „sind sogar dann noch aktiv.“

„Gemisch von Eindrücken“ wirkt auf unsere Entscheidung

Dies veranschaulicht Bernays an einem praktischen Beispiel: Ein Mann will Aktien kaufen. Er denkt, dass er die Entscheidung allein auf Basis seiner eigenen Urteilskraft fällt. In Wirklichkeit wird sie jedoch aus einem Gemisch von Eindrücken resultieren, die äussere Reize bei ihm hinterlassen haben und die nun unbewusst seine Gedanken bestimmen.

So kauft er die Aktie eines Eisenbahnunternehmens, weil er am Tag zuvor einen Artikel über diese gelesen hat und sie ihm deshalb noch besonders gegenwärtig ist. Oder weil er sich an ein gutes Menü erinnert, das er in einem ihrer Züge zu sich genommen hat. Oder weil das Unternehmen seine Mitarbeiter gut behandelt und als ehrlich gilt. Oder weil er vielleicht gehört hat, dass bekannte Persönlichkeiten auch zu den Aktionären zählen.

Gruppe funktioniert anders als der Einzelmensch

Aus der Massenpsychologie weiss man, dass eine Gruppe nicht im eigentlichen Sinne „denkt“. „Anstelle von Gedanken stehen bei einer Gruppe Impulse, Gewohnheiten und Gefühle“, so Bernays. Sie neigt bei Entscheidungen als Erstes dazu, dem Vorbild des Führers zu folgen, dem sie vertraut. Stehe kein Vorbild in Form eines Führers zur Verfügung, müsse „die Herde für sich selbst denken.“ Dabei greife sie zurück auf Klischees, Schlagworte oder Bilder, die für ein ganzes Bündel von Ideen und Erfahrungen repräsentativ seien.

Überträgt man Bernays Ausführungen auf unsere Zeit, dann erfüllen heute Begriffe wie „Reaktionär“, „Rechtsextremist“ oder „Klimaleugner“ diesen Zweck, wenn beispielsweise die Öffentlichkeit abgeschreckt werden soll, bestimmte Ideen, Organisationen oder Parteien zu unterstützen oder Personen zu wählen.

Was der Propagandist wissen muss

Nach Bernays sind Menschen „oft von Beweggründen getrieben, die sie vor sich selbst verbergen. Dieses grundlegende Prinzip gilt sowohl für die Psychologie der Massen als auch für die des Individuums.“ Daraus folgert er, dass der Propagandist die wahren Motive der Menschen und damit deren Wünsche und Sehnsüchte begreifen muss. Nur dann „kann er den riesigen, lose verbundenen Apparat namens moderne Gesellschaft steuern“.

Wachsam bleiben!

Hält man sich diese Ausführungen vor Augen, wird deutlich, wie sehr die moderne Propaganda auf den Erkenntnissen der menschlichen Psychologie beruht. Während der einzelne Mensch überzeugt ist, eigenständig und nach seinem Urteil zu handeln, heisst es, den genannten Mitteln und Taktiken der Manipulation gegenüber wachsam zu bleiben. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass der heutige Mensch diese Strategien erkennt, die unser Denken kontrollieren, unsere Gefühle steuern und unser Handeln bestimmen wollen.

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