Jetzt ist es definitiv: Nach dem Nationalrat hat nun auch der Ständerat die Motion 22.3546 deutlich angenommen. Diese verlangt, dass ein allfälliges WHO-Abkommen dem Parlament zur Genehmigung zu unterbreiten ist. Besonders aufschlussreich in der Ständeratsdebatte waren die teilweise überraschenden Aussagen von Bundesrätin Baume-Schneider. Diese lassen aufhorchen.

Ein Kommentar von Ralph Studer

Bereits im April 2024 hatte der Nationalrat die Motion der SVP 22.3546 „Kein WHO-Abkommen ohne parlamentarische Genehmigung“ klar mit 116:69 Ja-Stimmen angenommen. Ebenso deutlich fiel nun Ende September das Ergebnis im Ständerat mit 29:8 Ja-Stimmen aus.

Pandemievertrag wird dem Parlament vorgelegt

Anlässlich der Debatte im Ständerat führte Bundesrätin Baume-Schneider aus, dass aktuell eine weitere Verhandlungsrunde zum Pandemievertrag zu Ende ging und die nächste Verhandlungsrunde für November 2024 angesetzt ist. Viele Fragen seien noch strittig, so auch der Schutz des geistigen Eigentums.

Bezüglich Pandemievertrag war die Bundesrätin nun endlich deutlich: Der Pandemievertrag werde aufgrund seiner politischen Tragweite sicher dem Parlament zur Debatte und Abstimmung unterbreitet. Gegenüber dem Parlament werde das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die zuständigen Kommissionen über den Stand der Verhandlungen informieren. Wörtlich sagte Baume-Schneider:

„Ich möchte noch anmerken, dass es unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen von entscheidender Bedeutung ist, dass das neue Abkommen [der Pandemievertrag] keine Auswirkungen auf das souveräne Recht unseres Landes haben wird, das immer noch und weiterhin über seine eigene Gesundheitspolitik sowie über mögliche Massnahmen im Falle einer Pandemie entscheiden kann.

Ich kann Ihnen daher versichern, dass die Schweiz kein Abkommen unterzeichnen oder ratifizieren wird, das nicht in ihrem Interesse liegt. Ich möchte noch Folgendes hinzufügen, dass Themen wie eine Impfpflicht oder auch das Tragen von Masken oder die Fragen der Quarantäne oder andere Massnahmen, die die Mitgliedstaaten im Falle einer Pandemie potenziell ergreifen müssten, weder Teil des derzeit verhandelten Abkommens noch in den Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften enthalten sind.“

Parlament misstraut Bundesrat

Die deutlichen Abstimmungsergebnisse im National- und Ständerat zeigen, dass das Parlament die Oberaufsicht über den Bundesrat in den WHO-Verträgen wieder wahrnimmt und dem Bundesrat in dieser Angelegenheit nicht mehr so recht traut. Angesichts der bisherigen Intransparenz des Bundesrats bezüglich Strategie und Ziele bei den WHO-Verhandlungen und dem wenig Vertrauen einflössenden Verhalten der WHO, insbesondere bei der „Annahme“ der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) ist eine parlamentarische Skepsis dem Bundesrat gegenüber tatsächlich angebracht.

Denn wie ernst es der Bundesrat nun mit der Transparenz nimmt, bleibt auch zum jetzigen Zeitpunkt zweifelhaft. Die vorliegende Motion, die ihn verpflichtet hätte, den Pandemievertrag dem Parlament zu unterbreiten, hatte der Bundesrat im Vorfeld zu den Debatten im National- und Ständerat abgelehnt. Und dies ohne wirklich überzeugende Argumente.

Ging ihm die „Transparenz“ der Motion vielleicht doch zu weit und wollte er sich – trotz der bundesrätlichen Beteuerungen im Ständerat – doch eine Hintertüre offenhalten? Mit der angenommenen Motion gibt es nun nichts mehr zu rütteln: Der Bundesrat steht in der Pflicht, den Pandemievertrag dem Parlament zur Abstimmung vorzulegen.

Der Einsatz hat sich gelohnt

In jedem Fall deutet vieles daraufhin, dass die seit Langem dauernde Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit diverser Organisationen (so auch von Zukunft CH) nun ihre Früchte trägt. Der Bundesrat steht unter Druck und sein Handeln wird im Parlament und in der Öffentlichkeit mit Argusaugen beobachtet.

Zukunft CH begrüsst diesen Entscheid

Erfreut über die Annahme der Motion 22.3546 zeigt sich die Stiftung Zukunft CH, die sich seit Langem gegen diese WHO-Verträge einsetzt und dafür kämpft, dass beide Verträge (Pandemievertrag und IGV-Änderungen) dem Parlament und Volk zur Abstimmung vorgelegt werden. In ihrer Stellungnahme im Vorfeld zur ständerätlichen Debatte verdeutlichte Zukunft CH ihre zustimmende Haltung zu dieser Motion mit folgenden Begründungen:

Bezüglich IGV:

  • potenzielle Gefahr ist ausreichend für die Ausrufung eines internationalen öffentlichen Gesundheitsnotfalls durch den nicht demokratisch legitimierten WHO-Generaldirektor
  • Gefahr einer verpflichtenden Impfung ohne wirkliche Testung
  • eine dauerhaft eingerichtete „nationale IGV-Behörde“ in der Schweiz
  • Passagen des bisher gescheiterten Pandemievertrags neu in den IGV integriert
  • Verletzung der Meinungsfreiheit und Bundesverfassung

Bezüglich Pandemievertrag:

  • mehrere Themenbereiche und Bestimmungen von grosser inhaltlicher Tragweite

Bundesrat im Widerspruch zum IGV-Vertragsinhalt

Auch wenn die neuerlichen Aussagen des Bundesrats zum Pandemievertrag zu begrüssen sind, gilt es generell wachsam zu bleiben. Neben dem Pandemievertrag stehen seit ihrer Verabschiedung am 1. Juni 2024 an der Weltgesundheitsversammlung (WHA) in Genf besonders die IGV im Fokus. Ungeachtet des klaren gegenteiligen Vertragsinhalts wiederholt der Bundesrat gebetsmühlenartig, dass die IGV-Änderungen „eher geringfügig und technischer Natur“ (siehe NZZ-Interview vom 5. Dezember 2023 mit Nora Kronig, ehemalige Chef-Diplomatin des BAG) bzw. „technischer Natur und von beschränkter Tragweite“ seien (siehe Ausführungen der Bundesrätin Baume-Schneider bei der Behandlung der Motion 22.3546 im Ständerat am 26. September 2024).

„Freiwillige“ Vernehmlassung zu den IGV

Anlässlich der ständerätlichen Debatte erfolgten von Baume-Schneider zunächst die bereits bekannten verharmlosenden bundesrätlichen Beteuerungen zu den IGV, um dann inhaltlich eine überraschende Kehrtwende zu vollziehen. „Trotz des technischen Charakters der Anpassungen und trotz der Ergebnisse dieser Analyse“, so Baume-Schneider, „werde ich dem Bundesrat jedoch vorschlagen, auf freiwilliger Basis eine Vernehmlassung [zu den IGV] durchzufuhren.“

Diese Worte lassen aufhorchen. So sehr jedoch diese Absicht zu begrüssen ist, so widersprüchlich sind die Aussagen insgesamt: Denn wenn die IGV-Änderungen von untergeordneter Bedeutung sind, dann braucht es keine Vernehmlassung. Sind sie aber von politischer Tragweite, dann braucht es zwingend eine Vernehmlassung. Dies lässt Unsicherheiten des Bundesrats ahnen gegenüber seinen eigenen bisherigen Erklärungen und rechtlichen Einschätzungen.

Frist bis 19. Juli 2025

Bis vor Kurzem ist man davon ausgegangen, dass die Frist für den Widerspruch zu den IGV-Änderungen ab dem 1. Juni 2024 beginnt und nach zehn Monaten Ende März 2025 endet. Diese Annahme war nicht richtig. Die letzten Wochen haben diesbezüglich Klärung gebracht: Erst ab offizieller Notifikation („offizieller Bekanntgabe“) laufen die Fristen für das Widerspruchsrecht (sog. „Opting-Out“) und für das automatische Inkrafttreten der geänderten IGV, sollte der Bundesrat nicht fristgerecht von seinem Opting-Out Gebrauch machen.

Mit der nun am 19. September 2024 erfolgten Notifikation der IGV-Änderungen durch die WHO besteht Gewissheit: Die Frist für die Widerspruchserklärung läuft bis zum 19. Juli 2025. Lehnt der Bundesrat die IGV-Änderungen nicht innerhalb der besagten Frist gegenüber der WHO ab, würden diese automatisch am 19. September 2025 in Kraft treten und für die Schweiz verbindlich werden.

Die Zeit drängt

Es liegt nun am Bundesrat, dieses Widerspruchsrecht fristgerecht auszuüben. Zu Recht schreibt ABF Schweiz hierzu: „Nur so ist gewährleistet, dass das Parlament die geänderten IGV überprüfen und genehmigen oder ablehnen kann. Und nur so ist gewährleistet, dass im Falle einer Genehmigung durch das Parlament das Referendum ergriffen werden und das Volk darüber abstimmen kann. Es ist ausgeschlossen, dass dieser Prozess bis am 19. September 2025 durchführbar ist. Würde der Bundesrat das Opting-Out nicht erklären, würde er das Volk seiner grundlegenden Rechte gemäss Bundesverfassung berauben!“

Wie geht es weiter?

Momentan überprüft das BAG die IGV-Änderungen, um die Auswirkungen für Bund und Kantone zu analysieren. Danach wird der Bundesrat bestimmen, ob, und wenn ja, welche Änderungen dem Parlament unterbreitet werden müssen. Hierzu ist geplant, dass der Bundesrat im Herbst Stellung dazu nimmt.

Die mündlichen Debatten im National- und Ständerat haben gezeigt, dass die IGV-Änderungen und der Pandemievertrag zusammenhängen und damit im politischen Prozess gleichbehandelt werden sollen. Dies ist auch das Fazit des Rechtsgutachtens von Frau Professor Dr. Isabelle Häner. Für beide völkerrechtlichen Verträge soll das gleiche innerstaatliche Genehmigungsverfahren zur Anwendung gelangen. Dies bedeutet, dass nicht nur der Pandemievertrag, sondern auch die geänderten IGV dem Parlament vorzulegen sind.

An diesem rechtlichen Beurteilungsmassstab muss der Bundesrat seine bevorstehenden Entscheidungen zu den WHO-Verträgen messen lassen. Hierfür trägt er die politische Verantwortung. Denn diese Verträge dürfen nicht die Souveränität, Demokratie und Freiheitsrechte der Schweiz verletzen.

Lesen Sie hier die zweiseitige Stellungnahme von Zukunft CH: Stellungnahme zur Motion 22.3546 „Kein WHO-Abkommen ohne parlamentarische Genehmigung“ Kündigung EMRK: Zukunft CH Stellungnahme Motion Glarner 22.3546 SR (1)