Durch die Corona-Massnahmen und die WHO-Verhandlungen ist bei Teilen der Bevölkerung das Vertrauen in die bundesrätliche Politik verloren gegangen. Auch das gegenwärtige Verhalten des Bundesrats zu den WHO-Verträgen stärkt die Beziehungen zum Volk nicht, im Gegenteil. Dies zeigt eine genauere Analyse der bundesrätlichen Aussagen. Die Ziele und Absichten des Bundesrats bleiben weiterhin unklar.
Von Ralph Studer
Verschiedene National- und Ständerate haben mittlerweile politische Vorstösse zu den beiden WHO-Verträgen zuhanden des Bundesrats eingereicht. Darin ging es insbesondere um Fragen zu den inhaltlichen Bestimmungen der mittlerweile „angenommenen“ Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) und des geplanten Pandemievertrags. Aber auch die entscheidende Frage, ob beide WHO-Verträge dem Parlament zur Abstimmung unterbreitet werden, ist Thema.
Bundesrat widersprüchlich
Auffällig ist, dass die bundesrätlichen Stellungnahmen zu diesen Vorstössen stets gleichlautend und ohne wirkliche Aussagekraft sind. Auch fehlen Informationen und Antworten zum Vertragsinhalt und zu den kritischen Fragestellungen der Parlamentarier. Dieses Verhalten ist umso weniger nachvollziehbar, da der Bundesrat beispielsweise in der Motion 23.4414 beteuert, „transparente Informationen über den Stand der laufenden Verhandlungen abzugeben“.
Keine Meinungsbildung möglich
Weiters hält der Bundesrat fast schon stereotyp fest, dass die Schweiz „souverän“ über den Pandemievertrag (Motion 24.7178) bzw. als „souveräner Mitgliedstaat“ frei entscheidet (Motion 24.3175), ob sie den IGV zustimmt. Eine kritische Auseinandersetzung bzw. inhaltliche Aufklärungsarbeit seitens Bundesrat findet nicht statt. So kann sich weder das Parlament noch die Bevölkerung ein wirkliches Urteil über diese Verträge bilden. Ein Meinungsbildungsprozess, wie er für eine lebendige Demokratie selbstverständlich ist, wird dadurch verunmöglicht.
Frist läuft
Dies ist umso gravierender, als beispielsweise die Frist für die Widerspruchserklärung des Bundesrats bezüglich IGV nur noch bis zum 19. Juli 2025 läuft und bis heute unklar ist, ob das Parlament (unter Einbezug des Referendums) über die IGV-Änderungen abstimmt. Lehnt der Bundesrat die IGV-Änderungen nicht innerhalb der besagten Frist gegenüber der WHO ab, würden diese automatisch am 19. September 2025 in Kraft treten und für die Schweiz verbindlich werden.
Trotz Ablehnung des Bundesrats angenommen
Wenig Vertrauen fördernd ist auch die bundesrätliche Ablehnung der beiden Motionen 22.3546 und 24.3173, und dies ohne wirklich stichhaltige Argumente. Beide Motionen setzten sich dafür ein, dass die WHO-Verträge dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden.
Die mündlichen Debatten im National- und Ständerat haben jedenfalls gezeigt, dass die IGV-Änderungen und der Pandemievertrag zusammenhängen und damit im politischen Prozess gleichbehandelt werden müssen. Dies ist auch das Fazit des Rechtsgutachtens von Frau Professor Dr. Isabelle Häner. Für beide völkerrechtlichen Verträge soll das gleiche innerstaatliche Genehmigungsverfahren zur Anwendung gelangen.
Folgerichtig bedeutet die durch National- und Ständerat angenommene Motion 22.3546, dass nicht nur der Pandemievertrag, sondern auch die geänderten IGV dem Parlament vorzulegen sind. An diese rechtlichen und demokratiepolitischen Vorgaben ist auch der Bundesrat gebunden. Hält er sich nicht daran, verliert er seine Glaubwürdigkeit und verpasst eine wesentliche Chance, das verlorene Vertrauen wiederherzustellen.