Die „Wilde Ehe“ ist seit Jahrzehnten ein alter Hut, die „Ehe für alle“ seit einiger Zeit durchgesetzt. Was fehlt dann noch im bunten Reigen der Beziehungsformen? Richtig, die „Ehe mit sich selbst“.

Kommentar von Ursula Baumgartner

„Sologamie“ nennt man den neuesten Trend, bei dem ein Mensch sich selbst heiratet. Promi-Sternchen wie US-Schauspielerin Selena Gomez haben es vorgemacht: Weil sie mit 30 Jahren noch nicht verheiratet war, organisierte sie kurzerhand eine entsprechende Party, bei der sie sich in einer privaten Zeremonie selbst das Ja-Wort gab.

Nun kann man sich getrost ein wenig über das Konzept lustig machen, indem man pseudo-ernsthaft Überlegungen anstellt. Wer da wem die Frage aller Fragen gestellt hat, ist bei einer Selbstheirat vermutlich schnell geklärt, obwohl dann noch nicht beantwortet ist, ob er oder sie sich selbst zu diesem besonderen Anlass zu einem romantischen „Dinner for one“ ausgeführt hat. Ob der oder die Glückliche von dem Antrag überrascht war und ob er vor sich selbst auf die Knie gesunken ist, ist da schon interessanter, schliesslich bräuchte es hierfür zumindest einen grossen Spiegel. Auch kann man natürlich darüber nachdenken, was im Falle einer Beziehungskrise geschieht. Ein Trennungsjahr dürfte schwierig durchzuführen sein. Und wie frustrierend, wenn man den Jahrestag vergessen hat und dann nur sich selbst beschuldigen kann!

Doch man kann auch ernsthaft der Frage nachgehen, was einen Menschen antreibt, wenn er sich selbst heiratet. Denn auch wenn diese Heirat rechtlich keinerlei Auswirkungen hat, bekommt die Sologamie in Europa und in Japan immer mehr Zulauf, v.a. von Frauen. Die Aussage „Ich brauche niemand anderen, um glücklich zu sein“ kann natürlich sehr souverän und selbstbewusst klingen, sie kann aber auch nach sehr sauren Trauben schmecken und die Folge tiefer Enttäuschung sein. Ist es also gesunde Selbstfürsorge, die das „Ein-Personen-Paar“ dazu bringt, sich selbst lieben, achten und ehren zu wollen? Hat es auch hierzulande mit der sozialen Aufwertung alleinstehender Frauen zu tun, wie es in Japan der Fall ist? Oder ist es Ausdruck von an Narzissmus grenzenden Egoismus, der sich einerseits selbst in den Mittelpunkt rückt und andererseits von vornherein ausschliesst, dass jemand anders einen jemals so lieben kann, wie man das gern hätte?

In einem Video spricht Selena Gomez von Ängsten, Depression und dem Gefühl, nicht gut genug zu sein, und erzählt unter Tränen davon, dass sie, der einstige Disney-Kinderstar, ihr ganzes Leben lang nur gearbeitet hat. Wenn dies jedoch der Nährboden ist, auf dem die Entscheidung zu einer „Selbstheirat“ wächst, nimmt letztere eher therapeutische Züge an. Sie hat nichts gemeinsam mit der lebenslang angelegten Verbindung zweier Menschen, die sich das Versprechen der gegenseitigen Liebe, Treue und Fürsorge geben. Ebenso wenig nötigt sie dem Einzelpartner den Grad an Selbstlosigkeit und Kritikfähigkeit ab, zu dem Ehepartner und Eltern doch so häufig imstande sein müssen. Und sie lässt den „Sologamen“ auch nie die Freude verspüren, die sich einstellt, wenn ein anderer einen bewusst und entschieden bejaht.

Im besten Fall, wenn sie als Ausdruck sowohl eines Mangels als auch einer gesunden Selbstliebe verstanden wird, kann also eine solche „Selbstheirat“ die Vorbereitung für eine wirkliche Ehe sein, indem sie den einzelnen dazu bringt, ernsthaft über seine Wünsche und Bedürfnisse, seine Stärken und Schwächen nachzudenken. Im schlimmsten Fall nimmt sie dem „Selbstverheirateten“ die Beziehungsfähigkeit und lässt ihn alle zwischenmenschlichen Begegnungen nur noch durch einen egoistischen Filter wahrnehmen. Es ist Selena Gomez, diesem ausgebrannten und von einer schweren Krankheit gezeichneten Hollywood-Sternchen, von Herzen zu wünschen, dass ihre „Selbstheirat“ in die erste Kategorie fällt.

 

Die Stiftung Zukunft CH hat eine Broschüre mit dem Titel „Plädoyer für die Ehe“ erarbeitet, in der sie den individuellen und gesellschaftlichen Wert der Institution der Ehe beleuchtet. Sie kann über das Bestellformular bezogen werden.