Der US-Spielwarenhersteller Mattel hat im April 2023 erstmals eine Barbie-Puppe mit Downsyndrom auf den Markt gebracht. Die Puppe im bunten Blumenkleid soll es Barbie laut ihren Erfindern ermöglichen, die Welt um sie herum widerzuspiegeln. Fragt sich einfach, in welcher Welt die Mattel-Leute leben.
Ein Kommentar von Regula Lehmann
Diversität ist das Gebot der Stunde und ausgerechnet eine Puppe mit Down Syndrom soll zeigen, dass Mattel für Vielfalt steht. „Wir wollen unseren Teil beitragen, um gegen die Stigmatisierung von Menschen mit Behinderung vorzugehen“, liess Mattel Vizepräsidentin Lisa McKnight verlauten. Warum der Spielzeughersteller solche Puppen nicht vor 50 Jahren auf den Markt brachte, ist eine andere Frage. Fakt ist, dass wir heute kaum mehr jüngere Kinder mit Down-Syndrom zu Gesicht bekommen, weil mehr als 90 Prozent von ihnen inzwischen abgetrieben werden.
Vom Schicksal zugeteilt
In meiner eigenen Kindheit machten Menschen mit Trisomie 21 einen deutlich sichtbaren Anteil der Gesellschaft aus. Eine Schulkollegin von mir hatte eine grosse Schwester mit Down-Syndrom und auch wenn sie eine andere Schule besuchte, gehörte sie doch selbstverständlich dazu. Familien konnten nicht nur auf Unterstützung durch Behindertenorganisationen, sondern in vielen Fällen auch durch Ärzte, Nachbarn und Freunde zählen. Behinderte Kinder waren kein Objekt, das man dank rechtzeitiger Qualitätstests hätte „verhindern“ können, sondern etwas, das Eltern vom Schicksal in die Arme und ans Herz gelegt wurde.
Heute ist dies anders: Von Beginn der Schwangerschaft stehen Mütter unter Druck und bereits beim ersten Verdacht auf „Unregelmässigkeiten“ kommt das Thema Abtreibung ins Spiel. Entscheiden Eltern sich für ihr behindertes Ungeborenes, werden sie teilweise sogar von Ärzten und Pflegepersonal unter Druck gesetzt oder mit Verachtung gestraft. „Wie kann man der Gesellschaft nur zumuten, Menschen mitzutragen und mitzufinanzieren, deren Dasein man hätte verhindern können?“, ist eine Haltung, die sich zunehmend etabliert. „Wusstest du es schon in der Schwangerschaft?“ wird eine Bekannte von mir immer wieder mal gefragt.
Selbstbestimmt heisst auch „Selber schuld“
Dass der Mensch des 21. Jahrhunderts die Selbstbestimmung zum höchsten Wert erklärt hat, wirkt sich auf die gesellschaftliche Temperatur aus. Selbstbestimmt heisst ein Stück weit eben immer auch „gnadenlos“. Wer selbst bestimmt, ist auch selbst schuld und bekommt dies zu hören. Wenn es kein Schicksal gibt, sondern „jeder nur noch seines eigenen Glückes Schmied“ ist, gibt es im Grunde keinen Anspruch auf Solidarität mehr. Mitgefühl war gestern und weshalb um alles in der Welt sollte man die Lasten anderer mittragen, wenn man sich diese doch rechtzeitig hätte vom Hals schaffen können?
Je woker, desto lebensfeindlicher
Irritierend ist bei der Debatte um Menschenrechte und Inklusion, dass ausgerechnet diejenigen Kreise, die sich für Vielfalt starkmachen, den unbedingten Schutz des ungeborenen Lebens am gehässigsten bekämpfen. Der Nebelspalter weist in einem Artikel vom 5. Mai 2023 darauf hin, dass ausgerechnet Gruppierungen, die sich gerne woke geben, die grössten Vorbehalte gegenüber Lebensschützern haben. „Diese woken Kreise setzen sich zwar unermüdlich dafür ein, dass Behinderte nicht diskriminiert werden. Wenn das Leben von Behinderten aber schon vor der Geburt beendet wird, haben sie damit kein Problem.“ Mehr Verlogenheit ist aus Sicht des Nebelspalters kaum denkbar.
Während Abtreibungsaktivisten durch eine Puppe kaum zum Umdenken bewegt werden dürften, bleibt die Hoffnung, dass Kinder durch die neue Barbie auf das tatsächliche Problem – das Fehlen von Menschen mit Trisomie 21 in ihrem Umfeld – aufmerksam werden. Und dass diese Kinder anfangen, kritische Fragen dazu zu stellen. Wenn schon Inklusion und Vielfalt, dann aber bitte eine, in der alle Menschen mit offenen Armen und Herzen rechnen dürfen!
Die Stiftung Zukunft CH ist Trägerorganisation des „Marsch fürs Läbe“, der am 16. September 2023 in Zürich statt. Herzliche Einladung – wir freuen uns, wenn Sie mit uns für das Leben marschieren! Mehr Infos: Marsch fürs Läbe 2023