Im Zeitalter der Freizügigkeit ist es eine durchaus schwierige Aufgabe, junge Menschen zu erziehen. Regula Lehmann, Mutter von vier erwachsenen Kindern, kennt das aus eigener Erfahrung. Sie ist bei Zukunft CH für die Projekte Ehe und Familie zuständig und berät Eltern in den schwierigen Fragen – sei es in der Sexualerziehung, der rebellischen Adoleszenz und vielem mehr. Monika von Sury von Zukunft CH befragte sie zu ihrer Rolle als Familienberaterin und Elterncoach.

Zukunft CH: Sie sagen, Sexualerziehung sei Familiensache – ist das im 21. Jahrhundert noch möglich?

Lehmann: Ja, unbedingt! Gerade im 21. Jahrhundert, in dem der Einfluss der Gesellschaft und des Internets so stark ist, brauchen Kinder vertrauenswürdige Wegbegleiter. Und am besten geeignet sind dafür nach wie vor die Eltern, die ja von Natur her am engsten mit ihren Kindern verbunden sind. Am bereitwilligsten lernen Kinder von den Menschen, mit denen sie eine enge Bindung haben. Mutter und Väter haben in dieser Beziehung einen starken „Heimvorteil“ und sollten diesen unbedingt nutzen, um ihren Kindern zukunftsfördernde Werte weiterzugeben!

Zukunft CH: Sie definieren für sich die Ehe als eine Verbindung zwischen zwei Personen unterschiedlichen Geschlechts – ist das heute noch vertretbar?

Lehmann: Selbstverständlich, es gibt keine grundlegenden Veränderungen, die verlangen würden, dass man die Ehe neu definiert. Noch immer besteht die Gesellschaft aus Männern und Frauen und noch immer braucht es Mann und Frau, damit auf natürlichem Weg ein Kind entsteht. Die traditionelle Familie ist der Grundbaustein unserer Gesellschaft und grundsätzlich nach wie vor der beste Ort, um Kinder grosszuziehen. Nicht weil die traditionelle Familie perfekt wäre, sondern weil sie eine in der Natur angelegte und über Jahrtausende bewährte Idee des Schöpfers ist.

Zukunft CH: Es wird viel über die Gefahr von Pornografie für Jugendliche gesprochen. Was raten Sie Eltern?

Lehmann: Ich empfehle Eltern, sich als Erstes gut über die Thematik zu informieren. Danach geht es darum, altersgerecht mit Kindern und Teenagern über die Hintergründe und den schädlichen Einfluss von Pornografie zu sprechen. Immer mehr Experten empfehlen zudem, dass Kinder erst ab 16 Jahren ein eigenes Handy erhalten sollten und dass Eltern sie im Umgang damit anleiten und nah begleiten. Mehr zum Thema ist auch in unserem Ratgeber „Kinder wirksam vor Pornografie schützen“ zu finden (bestellbar bei Zukunft CH: Ratgeber für Eltern und Pädagogen).

Zukunft CH: Glauben Sie, dass junge Menschen heutzutage besonders stark vom Woke-Gedanken beeinflusst werden?

Lehmann: Leider ist der Einfluss des Wokismus auf junge Menschen gegenwärtig sehr stark. Ich empfehle Eltern, mit ihren Heranwachsenden über die Hintergründe dieser Ideologie zu sprechen und sie auf Widersprüche und zerstörerische Auswirkungen hinzuweisen.

Zukunft CH: Welche Ratschläge würden Sie Eltern geben, die mit dem Transgender-Coming-out ihres Kindes konfrontiert sind?

Lehmann: In Bezug auf den Transgender-Hype bei Minderjährigen empfehle ich, den Kindern deutlich zu machen, welche Konsequenzen solche Eingriffe haben. Zentral ist auch, sie auf die vielen Menschen hinzuweisen, die ihre Transition bereuen, weil sie ihre Probleme nicht gelöst, sondern verstärkt hat.

Zukunft CH: Wie beurteilen Sie den Umgang unserer Politiker mit dem Thema Bildung?

Lehmann: Ich empfinde unsere gegenwärtige Bildungspolitik als problematisch. Es gibt an vielen Schulen zu viel Ideologie und zu wenig Bildung, zu viele Reformen und dadurch zu wenig Zeit für das Unterrichten. Dass immer mehr Kinder kein Deutsch sprechen oder aufgrund verschiedenster Probleme Sondermassnahmen brauchen, überfordert viele Lehrer und erschwert den Unterricht.

Zukunft CH: In Ihrem Buch über die Sexualität von Mädchen stellen Sie Alternativen zur Woke-Erziehung vor. Welche sind das?

Lehmann: Mit meinem Mädchenbuch „Wir Powergirls“ stelle ich Eltern und Lehrern eine Alternative zu „woken“ Aufklärungsbüchern zur Verfügung. Mädchen zwischen zehn und dreizehn Jahren sollen auf altersgerechte und fröhliche Weise auf die Pubertät vorbereitet werden, statt verstörenden Bildern und Inhalten ausgesetzt zu werden. Ekel und Scham bewirken nämlich, dass Kinder nicht mehr mit uns über diese sensiblen Themen sprechen. Erfreulicherweise lesen viele Mütter „Wir Powergirls“ gemeinsam mit ihren Töchtern und schaffen dadurch gute Vorbedingungen für vertrauensvolle Gespräche in der Pubertät.

Zukunft CH: Welche Vorbilder sollten Eltern haben, um ihren Kindern gegenüber glaubwürdig zu sein?

Lehmann: Eltern sollten unverkrampft und alltagsnah über ihre Werthaltungen sprechen und sich natürlich auch darum bemühen, diese glaubwürdig vorzuleben. Und sie sollten ehrlich dazu stehen, wenn ihnen dieses Vorleben nicht immer gelingt.

Zukunft CH: Gibt es erzieherische Dinge, die Sie heute anders machen würden als früher?

Lehmann: Ich würde meine Babys und Kleinkinder mehr herumtragen und in den ersten zwei Jahren noch mehr in eine sichere Bindung investieren. Und ich würde den grösseren Kindern gegenüber gerne noch achtsamer und verständnisvoller sein.

Regula Lehmann, Schweizerin, verheiratet, vier erwachsene Kinder. Leiterin der Projekte Ehe und Familie der Stiftung Zukunft CH. Geschäftsführerin des Vereins Elterninitiative Sexualerziehung Schweiz.

Buchtipps aus der Feder von Regula Lehmann:

Wir Powergirls – Das schlaue Mädchenbuch. Weil Mädchen eine sorgfältige Aufklärung verdienen, Fontis 2015, ISBN 9783038480839

Rakete startklar! Wie aus Jungs echte Kerle werden. Ein Aufklärungsbuch, dem Eltern vertrauen können, Fontis 2016, ISBN 9783038480150