Sollte das Stimmvolk am 9. Februar 2020 die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm um das Kriterium der sexuellen Orientierung annehmen, könnte künftig auch nur eine in Stammtischgesprächen geäusserte Kritik an Homosexualität ins Visier der Strafverfolgung geraten. In der Ständeratsdebatte vom 28. November 2018 beschwichtigte der SP-Vertreter Claude Janiak, die Meinungsäusserungsfreiheit an Stammtischen sei „nicht in Gefahr“. Sein Parteikollege Daniel Jositsch, selbst Strafrechtsprofessor an der Uni Zürich, betonte, nur öffentliche Äusserungen fielen unter die Strafnorm.
Beide SP-Exponenten haben jedoch nicht bedacht, dass das Bundesgericht seit 2004 (BGE 130 IV 111) den für die Erfüllung des Straftatbestands notwendigen Öffentlichkeitscharakter nicht mehr über die Quantität der Zuhörer, sondern über deren Vertrauensverhältnis definiert. Bezüglich Stammtischen bedeutet dies gemäss Argumentarium des Abstimmungskomitees „Nein zu diesem Zensurgesetz“: „Auch wenn ein unbekannter Mithörer vom Nebentisch mitbekommt, was am Stammtisch unter Vertrauten diskutiert wird, ist nach der Gerichtspraxis des Bundesgerichts der Öffentlichkeitscharakter gegeben.“ Damit können folglich auch Gespräche am Stammtisch bereits zur Strafverfolgung führen.