In diesem Jahr jährt sich am heutigen Pfingstfest der Todestag von Maria Bernarda Bütler zum 100. Mal. Eine einfache Frau aus dem Kanton Aargau, die jung ins Kloster eintrat und früh Oberin wurde. Wie der Ruf beim Pfingstfest an die Apostel erging, so erging im Alter von 40 Jahren der Ruf der Weltmission an Maria Bernarda. Sie diente fortan der Kirche und den Menschen in Südamerika. Doch was kann uns modernen Menschen eine Klosterfrau aus dem 19., bzw. 20. Jahrhundert heute noch sagen? Das Portrait einer grossen Schweizerin.
Von Ralph Studer
Am 28. Mai 1848 kommt Maria Bernarda Bütler in Auw, einem kleinen Bauerndorf im aargauischen Freiamt, zur Welt. Mit 19 Jahren tritt sie ins Kapuzinerinnenkloster „Maria Hilf“ in Altstätten/SG ein. Sie wird als starke, beharrliche und unbeugsame Frau des Glaubens beschrieben. Warum lohnt es sich gerade in der heutigen Zeit, sich vertiefter mit Maria Bernarda zu befassen?
Ein Leben in Liebe und Hingabe
Im Zentrum ihres Lebens steht der Nächste: Sie will lieben, sie will beten, sie will opfern, um viele Menschen für Jesus zu gewinnen. Maria Bernarda ist – wie Mutter Teresa – eine herausragende Person des Glaubens und der Nächstenliebe. Mit dem Verlassen des Klosters „Maria Hilf“ in Altstätten löst sie sich, wie der Pfarrer und Autor Urs Keusch schreibt, mit aller Entschlossenheit von allem und wagt ihr Leben für Christus. Denn ihr grösster Wunsch ist es, das Evangelium bis an die Enden der Erde zu verkünden.
Sie verlässt für immer ihre Schweizer Heimat, um sich in den Dienst der Kirche und der Menschen zu stellen, zuerst in Chone/Ecuador und dann in Cartagena/Kolumbien. Dort versucht sie, die Leiden der Bevölkerung, insbesondere der Armen, Kranken und der Ausgegrenzten zu lindern. In Kolumbien gründet sie die Kongregation der Franziskaner Missionsschwestern von „Maria Hilf“.
Einsatz für die Rettung der Menschen und ihrer Würde
Sie lebt die Liebe und setzt sich für die Rettung der Menschen und die Anerkennung ihrer Würde als Gotteskinder ein. In Südamerika erwartet sie der Missionsbischof Peter Schumacher in seiner Diözese Portoviejo. Maria Bernarda lässt sich mit ihren Schwestern in Chone nieder, wo es „nirgends eine religiöse Genossenschaft gibt; hie und da eine verwahrloste Schule. Raub und Mord, Gottlosigkeit und Aberglaube drohten, das Land dem Heidentum auszuliefern“, so ihr Biograph Pater Beda Meyer. Dieser Einsatz für die Würde der Menschen, den Maria Bernarda ausfocht, ist auch in unserer Zeit mehr denn je nötig.
Ungebrochen, vorbildlich und von froher Natur
Trotz eines Lebens in Armut und vieler Krankheiten und Leiden – besonders in den letzten Lebensjahren – zeichnet sich Maria Bernarda durch ihr fröhliches und unbeugsames Wesen aus. So schreibt ihr Biograph über sie: „Niemand besass eine solche Fülle ungezwungener Fröhlichkeit und fast ununterbrochener Herzensfreude wie Mutter Bernarda. Wie dem hl. Franziskus, war ihr darum ein düsteres trübseliges Wesen unausstehlich.“ Viele Menschen haben Maria Bernarda zu Lebzeiten als eine tief in Gottes Liebe verwurzelte und den Menschen zugewandte Persönlichkeit geliebt und bewundert.
Begräbnis wird zum „Triumphzug“
Als Maria Bernarda am 19. Mai 1924 stirbt, strömen ganze Scharen von Menschen zusammen. „Das Begräbnis wurde“, so Meyer, „zu einem eigentlichen ‚Triumphzug’.“ Angesehene Männer trugen den Sarg durch die Strassen. Ihm folgten der Erzbischof mit seinen Priestern, Stadt- und Schulbehörden und herbeigeeilte Schwestern aus anderen Ordensniederlassungen. Eine unübersehbare Volksmenge schloss sich an. Die ganze Stadt nahm Anteil am Tod dieser aussergewöhnlichen Frau, die aus einfachen und bescheidenen Schweizer Verhältnissen stammte.
Für unsere Zeit
Hat uns Maria Bernarda heute noch etwas zu sagen? Sie lebt von früher Kindheit an eine besonders intensive Nähe zu Gott. Es ist ein Geheimnis der Liebe und Treue. Und diesen Weg geht sie ungebrochen bis an ihr Lebensende.
Maria Bernardas Botschaft ist eine Botschaft der Liebe und Hingabe, die der Autor Keusch treffend umschreibt: „Im Menschen neben dir, im Nachbarn, der arbeitslos ist, im Vater im Altersheim, im kranken Menschen, im verlassenen Kinde, im Jugendlichen, der ohne Sinn dahinlebt, in jedem gefangenen, hungernden und entrechteten Menschen in der grossen Welt, ja, in der ganzen leidenden, gequälten und missbrauchten Schöpfung ist Christus.“ Immer wieder sagt Maria Bernarda ihren Schwestern: „Die armen Kranken und armen Kinder müssen allzeit den Vorzug haben (…). Lernt diese hohe, heilige Aufgabe gut, in den kranken Gliedern Jesu immer den Heiland selbst zu pflegen.“
Ihr Denken und Handeln sind nur aus ihrem tiefen Glauben und ihrer Hingabe an Jesus Christus zu verstehen. Sie ist, so Keusch, ein Vorbild gerade auch für junge Menschen, das Gewaltige entdecken zu dürfen, das darin besteht, den lebendigen und persönlichen Gott kennen zu lernen, sich von ihm geliebt zu wissen und in dieser Liebe neue Menschen zu werden: Menschen der Selbstüberwindung und der neuen Horizonte, Menschen der Ausdauer, der konkreten Taten, Zeugen der Hoffnung und des Lebens.
Maria Bernarda war ein Geschenk nicht nur für die Bevölkerung Kolumbiens. Sie war und ist auch ein Geschenk für die Schweiz und für alle Menschen, die nach wahrhaften Vorbildern suchen. Lernen wir von ihr und ahmen wir ihre Grossherzigkeit, Treue und Liebe in unserem alltäglichen Leben nach. Denn mit kleinen Schritten verändern wir nicht nur uns, sondern auch unsere Familien und unser Umfeld zum Positiven. Und was mehr könnte man sich zu Pfingsten wünschen?