Edward Bernays (1891–1995) gilt als Vater der modernen Propaganda. Am 9. März jährt sich sein Todestag zum 30. Mal. Bernays ist ein Mann, der polarisiert und dessen Einfluss bis in unsere Gegenwart spürbar ist. Er war überzeugt: „Sorgfältig auf die Bedürfnisse der Massen zugeschnittene Propaganda ist essenzieller Bestandteil der Politik.“ Begeben wir uns auf die Reise zu einem Mann, für den Propaganda und politische Führung untrennbar miteinander verbunden sind.
Von Ralph Studer
„Ein seriöser und talentierter Politiker ist dank der Propaganda glücklicherweise in der Lage, den Volkswillen zu formen und zu kanalisieren“, behauptet Bernays in seinem Buch „Propaganda“. Damit ihm das gelinge, müsse er ein echter Anführer, Kämpfer oder Diktator sein.
Ein Politiker ist nicht zwangsläufig ein Verkäufer
Warum sich Politiker nicht der ausgefeilten Methoden bedienen, die in Wirtschaft und Industrie verwendet werden, ist für Bernays unverständlich. Politiker kennen sich vielleicht mit politischen Strategien aus und können Wahlkampfthemen, tragfähige Programme und Visionen entwickeln. „Aber das heisst noch lange nicht“, so Bernays, „dass man es ihm auch überlassen sollte, seine Ideen einem Volk (…) zu verkaufen.“ Dies deshalb, weil er kein „Verkäufer“ oder „PR-Profi“ ist, der weiss, wie man Ideen effizient unters Volk bringt.
Wie man eine politische Kampagne führt
Nach Bernays braucht es für eine erfolgreiche Kampagne einen umfassenden, auf breiter Linie angelegten Plan. Programme, Leitlinien, Versprechen, Budgets, Aktivitäten und handelnde Personen müssen ebenso sorgfältig ausgewählt und eingesetzt werden wie in der Wirtschaft, wenn man die Massen in seinem Sinn bewegen möchte.
Der erste Schritt einer politischen Kampagne besteht laut Bernays darin, die angestrebten Ziele klar und deutlich festzuschreiben – das heisst, in einem Wahlprogramm zu definieren. Bei der Budgetierung dieser Kampagne ist die Frage zu entscheiden, wie und wie viel Geld für die Kampagne gesammelt und anschliessend ausgegeben werden soll. Auch die Emotionen, die man bei den Massen wecken will, sollten nach Bernays im Gesamtplan der Kampagne berücksichtigt werden.
Bernays betont die Wichtigkeit, möglichst viele der grundlegenden menschlichen Empfindungen anzusprechen und die Anliegen der Kampagne mit den Interessen der Menschen in Einklang zu bringen. Es sei sinnvoll, in einer politischen Kampagne „an die Gefühle der Menschen zu appellieren“. Dabei müssen die emotionalen Inhalte
- in jeder Hinsicht mit dem Gesamtkonzept und mit jedem Detail der Strategie in Einklang stehen,
- auf die vielen verschiedenen Gruppen, die man ansprechen will, zugeschnitten sein,
- zur Verbreitung über die Medien taugen, um massenwirksam werden zu können.
Emotionale Elemente sind gezielt einzusetzen
Dass allerdings falsch eingesetzte „Emotionen“ abgenutzt und hinderlich sein können, zeigt Bernays an einem einfachen Beispiel. Ein Politiker, der sich mit Babys auf dem Schoss fotografieren lässt, hat das richtige Gespür gehabt, wenn diese Pose einen wichtigen Aspekt seines Wahlprogramms unterstreicht. Das in Szene gesetzte Küssen von Babys ergibt nur Sinn, wenn es mit einer wichtigen Leitlinie im Wahlprogramm im Einklang steht. „Emotionale Momente“, so Bernays, „einfach aufs Geratewohl herbeizuführen, ohne sich nach dem Wert für die Gesamtkampagne zu fragen, ist unnütze Energieverschwendung.“
Was erfolgreiche Propagandaarbeit ausmacht
Statt solch vergeblichen Aufwand zu betreiben, besteht der Kern erfolgreicher Propagandatätigkeit gerade darin, ein eigenes Ziel zu haben und dieses zu verfolgen. Hierzu muss man sich zunächst genau über die gesellschaftliche Ausgangssituation informieren. Davon ausgehend soll man dann die Umstände so verändern, dass man die Öffentlichkeit beeinflussen und auf seine Seite bringen kann. Bernays ist überzeugt: „Wenn ein Politiker eine echte Führungspersönlichkeit ist, wird er die Menschen mithilfe geschickter Propaganda von seiner Linie überzeugen.“
„Gute Regierungsarbeit ist wie jedes andere Produkt“
Ein „erzieherischer Prozess“ ist für den Politiker, seine Wähler in seinem Sinne umzustimmen. „Man muss Umstände schaffen, die entsprechende Gedankenketten auslösen, muss Persönlichkeiten auf ‚dramatische Art‘ hervorheben und Kontakt mit den Anführern herstellen, die innerhalb ihrer gesellschaftlichen Gruppen die Meinungsbildung steuern.“
Gute Regierungsarbeit könne nach Bernays der Öffentlichkeit genauso verkauft werden wie jedes andere Produkt auch. Politiker, denen Ansehen und Effizienz ihrer Partei am Herzen lägen, sollten Nachwuchskräfte mit sowohl politischen als auch propagandistischen Fähigkeiten ausbilden. Er zeigt dies anhand von einigen Absolventen der bekannten Princeton-Universität, die George Olvany, damaliger Chef der Parteizentrale der Demokratischen Partei in den USA, angestellt hatte. Lapidar sagt Bernays dazu: „An seiner Stelle hätte ich die klügsten der jungen Männer zu einer Theaterproduktion am Broadway geschickt oder sie als Praktikanten bei einem professionellen Propagandisten untergebracht, bevor ich sie für die Arbeit in der Demokratischen Partei engagiert hätte.“
„Regieren durch Propaganda“
Bernays geht auch auf das Spannungsfeld einer Demokratie ein, wenn die Lücke zwischen den Intellektuellen und der „Masse“ in der Gesellschaft zu gross ist. Diesfalls schlägt er vor, diese Lücke mithilfe von Propaganda zu füllen. „Nur Propaganda versetzt die Regierung, ein Organ des Volkes, in die Lage, eine enge Beziehung zur Bevölkerung aufrechtzuerhalten, was für das Funktionieren einer Demokratie unerlässlich ist.“
Für Bernays ist klar, dass eine Demokratie von einer intelligenten Minderheit zu führen ist, die weiss, „wie man die Massen leitet und lenkt“. Ist das gleichbedeutend mit „Regieren durch Propaganda?“, fragt sich Bernays. Er gibt auch gleich die Antwort: „Nennen Sie es ‚Regieren durch Bilden und Erziehen‘, wenn Ihnen das besser gefällt.“ Seiner Meinung nach braucht es eine „fachmännische Propaganda, die Umstände steuert, bedeutsame Ereignisse und wichtige Fragen anschaulich herausstellt“. Denn nur „so wird der Staatsmann der Zukunft in die Lage versetzt, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf entscheidende politische Fragestellungen zu lenken sowie eine gigantische, heterogene Masse von Wählern zu verständigen und folgerichtigen Handlungen zu bewegen“.
Was Edward Bernays damals im Jahr 1928 schrieb, ist von der heutigen Wirklichkeit vielleicht gar nicht so weit entfernt…
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