Laut Berichten schwedischer Medien vom 31. Juli 2020 will die mitregierende Grüne Partei alle Religionsgemeinschaften dazu verpflichten, auch gleichgeschlechtliche Paare zu trauen. Droht eine massive Einschränkung der Religionsfreiheit?
Schweden hat die gleichgeschlechtliche „Ehe“ 2009 eingeführt. Doch gemäss einer Umfrage von Sveriges Television vom Sommer 2020 trauen 29 von 34 Religionsgemeinschaften, darunter die Katholiken und einige Freikirchen, keine gleichgeschlechtlichen Paare. Das scheint viele Politiker zu stören. „Wenn Gemeinschaften eine Aufgabe im Auftrag des Staates ausführen, sollten sie dabei nicht diskriminieren dürfen“, sagt Gleichstellungsministerin Åsa Lindhagen gemäss der Zeitung Aftonbladet. Dennoch würde eine staatlich verordnete Pflicht, gleichgeschlechtliche Paare zu trauen, nicht zu einer Verletzung der Religionsfreiheit führen.
Nach Auskunft der Schwedischen Botschaft in Bern gegenüber Zukunft CH stellt es nämlich eine schwedische Besonderheit dar, dass die religiöse Trauung rechtlich mit der standesamtlichen Trauung gleichgesetzt wird. Um gegebenenfalls der staatlichen Verpflichtung zur gleichgeschlechtlichen Ehe zu entgehen, müssten sich die Kirchen, wie die Botschaft bestätigt, auf eine „symbolische, religiöse Zeremonie ohne staatliche Anerkennung“ beschränken, die „keine Auswirkung auf den Zivilstand“ hätte.
Diese Einschätzung bestätigt auch das Sekretariat der Nordischen Bischofskoferenz, der die katholischen Bischöfe Schwedens angehören. Die Diskussion darüber, die staatliche Trauungserlaubnis denjenigen Religionsgemeinschaften zu entziehen, die sich weigern, gleichgeschlechtliche Paare zu trauen, gebe es – wie auch in Dänemark – schon seit einigen Jahren, erklärt Schwester Anna Mirijam Kaschner, Generalsekretärin der Bischofskonferenz, auf Anfrage: „Die liberale Partei setzt sich seit etwa zwei Jahren dafür ein und auch die Grünen ziehen mit. Die anderen Parteien im Parlament haben noch keine eindeutige Stellung zu dieser Frage genommen, aber die Idee hat viele Befürworter in den meisten Parteien.“
Schwester Anna Mirijam zufolge ist eine Trauung in einer Religionsgemeinschaft, die die staatliche Trauungserlaubnis hat, „rechtlich ganz und gar gleichgesetzt mit der standesamtlichen Trauung“. Deswegen genüge eine Trauung. Die katholische Kirche – und analog dazu auch alle anderen Religionsgemeinschaften – könnten aber ohne Weiteres von sich aus entscheiden, auf das Privileg der staatlichen Trauungserlaubnis zu verzichten. Man würde dann den Katholiken sagen, sie sollten vor der kirchlichen Trauung zuerst standesamtliche heiraten – genauso wie das in der Schweiz und in Deutschland heute schon der Fall ist.
„Das Bistum Stockholm hat von sich aus genau diese Lösung schon vorgeschlagen, als im Jahr 2000 in Schweden die Trennung von Kirche und Staat durchgeführt wurde“, sagt Schwester Anna Mirijam. Der Staat hätte damals aber lieber die Form mit nur eine Trauung behalten wollen und den Religionsgemeinschaften deswegen die Trauungserlaubnis ohne besondere Auflagen angeboten.